Disziplin bis ins höchste Alter
Johannes Heesters starb 108-jährig
Für Generationen von Theater- und Filmfans war Johannes Heesters der hinreißende Charmeur, der legendäre Graf Danilo, der berührende Interpret unsterblicher Operettenmelodien mit dem unverkennbaren holländischen Akzent. Am Samstag ist Heesters im Klinikum Starnberg gestorben. Er galt als der älteste aktive Schauspieler der Welt.
8. April 2017, 21:58
Heesters war am 17. Dezember mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus gekommen und lag seitdem auf der Intensivstation.
"Herr Heesters ist am Heiligen Abend, 24. Dezember 2011, um 10.15 Uhr in Beisein seiner Ehefrau Simone Rethel und seiner Enkelin Wiesje Herold friedlich verstorben“, teilte die Klinik der Nachrichtenagentur dpa mit.
Der Grandseigneur der leichten Muse
Frack, Zylinder, weißer Schal - so kannte man Johannes Heesters, den Kavalier der alten Schule. Mehr als 1.600 Mal sang er den Danilo in der "Lustigen Witwe", gut 8.000 Theaterauftritte hatte er hinter sich. Heesters selbst verstand sich immer als "Schauspieler mit Stimme".
Heirat mit Simone Rethel
Seit 1992 war Heesters mit der Schauspielerin Simone Rethel verheiratet, die schon als junges Mädchen eine große Verehrerin des um 46 Jahre älteren Film- und Bühnenstars war. Davor war Heesters mit der Operettensängerin Louisa H. Ghijs verheiratet.
Die Kinder aus erster Ehe gingen auch künstlerische Wege: Nicole wurde eine renommierte Film- und Theaterschauspielerin, Tochter Wiesje lebt als Klavierpädagogin in Wien. Nicoles Tochter Saskia hat ebenfalls höchst erfolgreich den Schauspielberuf ergriffen.
Berufswunsch Priester
Johannes Marius Nicolaas Heesters wollte eigentlich Priester werden. Heesters, als Sohn eines Kaufmannes am 5. Dezember 1903 im holländischen Amersfoort geboren, gründete aber, nachdem er den Berufswunsch des Priesters aufgegeben hatte, mit Freunden eine Theatergruppe.
Er versuchte sich mit geringem Erfolg im Bankfach und absolvierte dann in Amsterdam eine Schauspiel- und Gesangsausbildung. Erste Minirollen erhielt Heesters an Sprechbühnen in Amsterdam, Den Haag, Brüssel und Rotterdam.
Inbegriff der leichten Muse
Schließlich wechselte er als Tenor ins Opernfach und trat 1934 erstmals an der Volksoper Wien auf. Heesters' große Karriere begann jedoch in Berlin, wo er ab 1935 an der Komischen Oper, am Metropoltheater und im Admiralspalast zum Inbegriff der leichten Muse avancierte.
Mit Gespür für den Zug der Zeit erklärte 1935 der Schlagersänger Rudi Schuricke: "Das ist ein Frauentyp, der wird alle wegdonnern."
Star der "Ablenkungsfilme"
Sein Filmdebüt gab Heesters 1935, zum Leinwandstar machten ihn Rollen in Ufa-Produktionen wie "Der Bettelstudent" oder "Das Hofkonzert".
Heesters zählte zu den meistbeschäftigten Stars in den deutschen "Ablenkungsfilmen" der Kriegsjahre - das ist ihm von seinen holländischen Landsleuten später nie ganz verziehen worden, obwohl ihm ein distanziertes Verhältnis zum Nationalsozialismus nachgesagt wurde. Die Aufforderung von Joseph Goebbels, Deutscher zu werden, habe er mit der Frage "Warum werden Sie nicht Holländer, Herr Doktor?" verweigert.
Späte Versöhnung und Irritationen
Erst 2008 war ihm eine Art späte Versöhnung gegönnt mit einem umjubelten Auftritt in seiner niederländischen Vaterstadt Amersfoort. Aber der Auftritt wurde getrübt von einem verunglückten Interview mit einem holländischen TV-Sender, in dem sich Heesters missverständlich über Hitler äußerte. Und einen Rückschlag gab es für Heesters im Frühjahr 2011, als er von einem geplanten Staatsempfang bei "seiner" Königin Beatrix der Niederlande im Berliner Schloss Bellevue "aus Platzgründen" wieder ausgeladen wurde. Dabei hatte doch ein Lebenswunsch von ihm in Erfüllung gehen sollen.
Auftritt in Dachau
Immer wieder ist ihm sein Auftritt vor SS-Leuten im Konzentrationslager Dachau vorgehalten worden. 1986 sagte er dazu der in der Amsterdamer Tageszeitung "Het Parool": "Die SS hatte gesagt: Sie sind morgen unser Gast in Dachau, und es gibt keinen Grund, um verhindert zu sein. Wir haben da nur die 'schönen' Dinge gesehen: Die Duschen, Schlafsäle, wo gegessen wurde. Natürlich wurden auch Fotos gemacht - Propaganda."
Er habe nichts Schreckliches geahnt, "als das ganze Ensemble 1941 zum Tag der offenen Tür ins Arbeitslager Dachau eingeladen wurde.", heißt es in Willibald Esers Heesters-Biografie. "Ich wusste nicht, was später in diesem KZ geschehen würde, aber ich schämte mich, als ich es erfuhr, und ich habe bis heute nicht aufgehört, mich zu schämen..."
Der Besuch ist in einem Fotoalbum des damaligen KZ-Kommandanten dokumentiert. Auf den Bildern ist der Schauspieler in Hut und Mantel bei der Besichtigung des Lagers zu sehen, aber nicht bei einer Bühnendarbietung. Ein mittlerweile verstorbener Zeuge hatte in einer Fernsehdokumentation gesagt, er habe damals für Heesters den Vorhang gezogen.
Unverwüstlicher Charme
Heesters hatte als österreichischer Staatsbürger bereits einige Monate nach Kriegsende wieder die Möglichkeit, in Wien im Filmatelier und auf der Bühne der Josefstadt zu arbeiten.
Seinen geradezu sprichwörtlich unverwüstlichen Charme stellte er nach dem Krieg in einer Reihe von Filmen erneut unter Beweis. Auf der Bühne verkörperte er die bewährten Rollen des Musiktheaters, 750 Mal den Honoré in "Gigi", über 1.600 Mal den Danilo in der "Lustigen Witwe".
Bis ins hohe Alter auf der Bühne
"Im Herzen blieb ich jung", meinte Heesters in einem seiner zuletzt erschienenen Lieder. Vor allem auch durch Arbeit, bis ins hohe Alter hinein. So stand Heesters noch im Sommer 2010 im Berliner Ensemble mit 106 Jahren in einer kleinen Rolle auf der Bühne, als greiser König in einem Stück von Rolf Hochhuth. 2011 gab es neue Filmarbeiten. Und noch vor wenigen Wochen gab er eine Gesangseinlage und trank das eine oder andere Gläschen bei der Gala zum 50. Jubiläum der Kleinen Komödie in München.
"Ich hab' mein Leben gelebt und hab' mich stets bemüht, den Weg gerade zu gehn, auch durch den Sturm der Zeit", sang Heesters in einem seiner späten Lieder, oder, wie er im "Jedermann" als Gott der Herr sagte: "So viel ich vermocht, hab ich vollbracht."
Mit dem Tod von Johannes Heesters endet nicht nur eine der eindrucksvollsten Karrieren der Theater-, Film- und Operettenwelt, sondern eine ganze Epoche.
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