Politische Lösung immer schwerer
Kurdenpolitik: Journalisten verhaftet
Die türkische Polizei hat bei landesweiten Razzien Dutzende Journalisten im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen kurdische Separatisten festgenommen. Computer und Dokumente wurden beschlagnahmt. Die Politik der Annährung in der Kurdenfrage steht mehr denn je vor dem Scheitern.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 21.12.2011
Aus Istanbul,
Angebliche Mittelsmänner
Es gebe kein Problem mit den Kurden, sagen übereinstimmend die meisten türkischen Politiker. Es gebe nur ein Problem mit Terrorismus von kurdischer Seite. Viele Kurden würden diese offizielle Darstellung nur eingeschränkt gelten lassen. Denn kein Problem haben sie nur, solange sie das Kurden-Thema nicht anschneiden. Andernfalls laufen sie nämlich Gefahr, mit Terrorismus in Verbindung gebracht zu werden. So wie die Journalisten, die gestern als angebliche Mittelsmänner und Propagandisten der PKK verhaftet wurden.
"Gezielte Einschüchterung"
Nur ein paar Dutzend kurdischer Kollegen haben gestern im Zentrum von Istanbul gegen diese neue Verhaftungswelle protestiert. Journalisten und Intellektuelle würden verhaftet und eingeschüchtert, um die kurdische Gemeinschaft als Ganzes zu treffen, sagt eine junge Journalistin. So wie die Verhaftung von kurdischen Anwälten im November zeige auch die Festnahme der Journalisten, dass die Rechte der Kurden mit Füßen getreten würden.
Doch die türkischen Behörden behaupten, Beweise oder zumindest Indizien dafür zu haben, dass kurdische Anwälte und Journalisten direkt mit der PKK zusammen arbeiten. Dieser Verdacht habe sich aus Verhören mit anderen verhafteten PKK-Sympathisanten ergeben.
"Erfolge" im Kampf gegen PKK
Wenn die türkische Regierung den kurdischen Separatismus nur mit militärischen Mitteln besiegen will, hat sie in den letzten Monaten sicher Fortschritte erzielt. Erst in der vergangenen Woche wurden im Südosten 20 PKK-Kämpfer getötet. Und Terroranschläge gegen Zivilisten liegen nun schon Monate zurück.
Die Verhaftung möglicher Sympathisanten in den Städten trägt sicher dazu bei, die PKK zu schwächen. Gleichzeitig führen diese Razzien und Massenfestnahmen aber die Grundannahme der türkischen Kurden-Politik ad absurdum. Denn wenn die Verdachtsmomente der Justiz tatsächlich stimmen, hätte die PKK eine viel breitere politische Basis als ihre Gegner behaupten.
Konflikt statt Annäherung
Ministerpräsident Erdogan hat bisher versucht, die gewählten kurdischen Politiker zu einer klaren Absage an die PKK zu zwingen. Das ist bisher nicht gelungen. Es bleiben also zwei Möglichkeiten: Entweder die regierende AKP schafft es, mit den Pragmatikern unter den kurdischen Politikern bald eine neue Verfassung auszuarbeiten und damit der PKK das Wasser abzugraben. Oder die Verhaftungen gehen weiter und die nächste Welle trifft – nach Anwälten und Journalisten – die kurdischen Abgeordneten. Das ist es, was deren Parteichef Demirtas an die Wand malt. Was in der ersten Jahreshälfte hoffnungsvoll als politische Annäherung begonnen hat, ist nur wenige Monate später zu einem schwer überbrückbaren Konflikt geworden, der so gar nicht zu den Zukunftsplänen dieses aufstrebenden Wirtschaftswunderlandes passt.