Die britischen Kanalinseln

Zwischen den Kulturen

Die Insel Jersey liegt gemeinsam mit Guernsey, Alderny, Sarks und Herms - umspült vom Golfstrom, der ihr mildes Klima bestimmt - im Ärmelkanal. Die Franzosen nennen sie "Iles Normandes", die Briten "Channel Islands" und Victor Hugo bezeichnete sie "als ins Meer gestürzte Stücke Frankreichs, die England aufgesammelt hat."

Tatsächlich gehören die Inseln geografisch zu Frankreich, politisch zu England und die Lebensart ist eine gute Mischung aus englischem Understatement und französischem Savoir-Vivre. Es gibt noch viele Ortsbezeichnungen auf Französisch, die aber englisch ausgesprochen werden.

Die nur 116 Quadratkilometer große Insel Jersey hat viel Natur - Lavendelfelder, Weinberge und blumenreiche Gärten -, aber auch geschichtsträchtige Plätze zu bieten, nämlich traditionsreiche Bauernhöfe, die vom National Trust Jersey bewahrt werden, die Jersey War Tunnels und das Mont Orgeuil Castle.

Inselhauptstadt mit Finanzzentrum

In der Broad Street in St. Helier befinden sich die traditionellen City-Filialen der wichtigsten Banken der Insel. Ihre Kommando-Zentralen - allesamt moderne Glaspaläste - haben sich am Rand der 30.000-Einwohner-Stadt angesiedelt. Nach wie vor - auch in Zeiten der Krise - ist St. Helier ein wichtiger Finanzplatz, in dem sich 79 Banken aus 16 Ländern, rund 300 Versicherungsgesellschaften aus aller Welt und unzählige Briefkastenfirmen niedergelassen haben. Das Vermögen, das sich allein auf der Insel Jersey befinden soll, wird auf über 200 Milliarden Pfund geschätzt.

Ein Spaziergang durch die belebten Fußgängerzonen mit ihren Juwelierläden, eleganten Modegeschäften und Designerläden macht es deutlich: St. Helier ist wohlhabend und zeigt es auch. Die Finanzwirtschaft hat gemeinsam mit dem Tourismus längst schon die Landwirtschaft als wichtigste Einkommensquelle abgelöst. Jeder fünfte der rund 90.000 Jersianer ist in der Finanzwirtschaft tätig.

Gärten, Lavendelfelder und Weinbau

Die Kanalinseln sind bekannt für ihr mildes, gemäßigtes Klima. Palmen und mediterrane Gewächse lassen an Üppigkeit nichts zu wünschen übrig. Das Wetter ist wechselhaft, weder mit langen Hitzeperioden oder längeren Schlechtwetterphasen muss gerechnet werde. Dem aus der Karibik warmes Wasser mit sich führenden Golfstrom ist ein relativ ausgeglichenes Klima mit milden Wintern zu verdanken. Selten gibt es Schnee, noch weniger friert es. Der Winter 2010 war eine Ausnahme: Da schneite es und die Temperauren sanken auf minus sechs Grad Celsius.

Im Sommer liegen die Durchschnittstemperaturen üblicherweise bei 20 Grad. Allerdings kommt Jersey auf eine überdurchschnittlich hohe Sonnenscheindauer pro Jahr: 1.928 Sonnenstunden, aber auch ausreichend Niederschlag sorgen für ideale Bedingungen für eine vielfältige Vegetation.

Eine Burg wie aus dem Bilderbuch

Mont Orgueil Castle im Osten der Insel ist die ultimative, mittelalterliche Trutzburg: eine Festung mit meterdicken Mauern, Türmen und Burghöfen. "Mont Orgueil" kommt aus dem normannischen Französisch und bedeutet "Bergstolz". Die Festung ist auch als Gorey Castle bekannt. Sie war lange Zeit ein Garant dafür, dass Jersey nicht vom Erbfeind Frankreich eingenommen werden konnte.

Für den Bau des Kastells wurde der rosafarbige Granit der Insel verwendet. Dieser Stein war so hart, dass er nur in sehr kleinen Blöcken herausgeschlagen werden konnte. In mühsamer Handarbeit wurden die Mauern mit Muschelkalk zusammengefügt.

Hoch über der Bucht von Gorey, in der die Fischerboote je nach den Gezeiten im Wasser schwimmen oder wie gestrandet im welligen Sand liegen, erhebt sich der vorbildliche restaurierte "Bergstolz". Mehrere Burghöfe, sogenannte "Wards", Treppen und Tore - wie das Queen's Gate - muss man durchschreiten und hinaufsteigen, um zum Mount, dem höchsten Teil der Burg zu gelangen. Hier sind eine Kapelle, ein vierstöckiger Wohnbereich und etliche Repräsentationsräume, die für Ausstellungen genützt werden, untergebracht.

Von den Wachtürmen aus sieht man bis zur Küste Frankreichs und zu Füßen der Burg den weiten Strand von Gorey. Wie ein impressionistisches Gemälde wirkt von hier oben die Festungsarchitektur mit ihren Höfen und einem französischen Garten, die Küste mit dem Sandstreifen, den darin liegenden Booten, mit der Kaimauer, dem weit ins Meer ragenden Pier, und die frisch umgepflügten Felder und steinumrandeten grünen Wiesen, die sich im Inselinneren fortsetzen.

Historische Bauernhöfe

Während Repräsentationsbauten wie die Trutzburg Mont Orgueil Castle oder Elizabeth Castle vom Jersey Heritage Trust verwaltet werden, kümmert sich der National Trust for Jersey eher um historische Gebäude der Alltagskultur wie etwa alte Bauernhöfe, Mühlen, Obstpressen, aber auch um schützenswerte Naturräume. Beides sind unabhängige Organisationen, die sich zur Aufgabe gemacht haben, das kulturelle Erbe der Insel zu bewahren.

Zu den betreuten Bauernhöfen zählt auch "The Elms" ein Bauernhof in der Nähe im Parish, also im Bezirk, St. Mary. Er liegt in einer idyllischen Landschaft, umgeben von einigen Ulmen und Weiden mit den typischen kleinwüchsigen, sandfarbenen Jersey-Kühen. In Presshäusern wurde, wie im 17. und 18. Jahrhundert überall auf Jersey üblich, der berühmte Cider - Apfelmost - hergestellt.

Cider aus Jersey wurde nach England exportiert. Dies sei längst vorbei, bedauert Charles Alluto. Allerdings ein traditionelles Produkt, hergestellt aus Äpfeln und Cider, hat durch den Tourismus wieder einen Aufschwung erfahren: die berühmte Black Butter oder "Le Nièr Beurre". Für den National Trust ist es wichtig, Traditionen wie die Herstellung von Black Butter am Leben zu erhalten.

Die Einnahmen aus dem Verkauf der Black Butter, die in Gläser abgefüllt wird, kommt wieder neuen Projekten zu Gute. 20 verlassene Gehöfte konnten auf diese Weise vor dem Verfall gerettet werden.

Das Erbe der Nazis

Mit dem 30.Juni 1940 veränderte sich der Alltag der Kanalinseln schlagartig. Da besetzten nämlich deutsche Truppen zunächst Guernsey, einen Tag später Jersey, dann folgten Alderney und Sark. Die entmilitarisierten Inseln mit den Decknamen "Jakob", "Gustav" und "Abel" wurden auf relativ unspektakuläre Weise eingenommen und deutsche Soldaten besetzten sämtliche öffentlichen Ämter, Hakenkreuzfahnen wurden gehisst, die Uhren auf mitteleuropäische Zeit umgestellt und im Kino liefen von nun an deutsche Filme.

Jersey sollte eine Festung im Ärmelkanal werden, daher begann im November 1941 die deutsche Besatzungsmacht in verschiedenen Gebieten der Insel mit dem Bau der sogenannten Jersey War Tunnels. Ein kleineres Tunnelsystem liegt bei St. Catherine, die größte unterirdische Anlage befindet sich östlich von St. Peter's Valley. Auf Hitlers Auftrag setzte der Autobahnbauer Fritz Todt Zwangsarbeiter aus Ost-Europa ein, um unter teilweise lebensgefährlichen Bedingungen rund 14.000 Tonnen Gestein aus dem Berg zu hauen. Bis zu 33,5 Meter tief unter der Erde liegen die ca. ein Kilometer langen Gänge.

Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die meisten der Tunnel eine neue Bestimmung erhalten, sei es als preisgekröntes zeitgeschichtliches Museum oder als Turbot-Farm, in der Steinbutt gezüchtet wird.

Alte Bunker mit neuer Bestimmung

In einer niemals fertig gestellten Tunnelanlage in der wunderschönen Bucht von St. Catherine mieteten sich Dave Cowburn und sein Sohn ein, als es mit der Hochseefischerei bergab ging. Der Bunker von St. Catherine war in den 1960er Jahren - zur Blütezeit des Hummerfanges - so adaptiert worden, dass in vielen betonierten Wasserbecken Hummer untergebracht und von hier aus verkauft werden konnten.

Im Jahr 2000 übernahm Dave Cowburn den Tunnel, kaufte 500 Steinbutt-Babys und versuchte sein Glück mit der Zucht. Inzwischen hat die Steinbutt-Zucht auch wirtschaftlichen Erfolg. Der "Fisch der Könige und Königinnen" - wie der Steinbutt genannt wird - aus dem einstigen Nazi-Bunker ist in einigen ausgewählten Restaurants der Insel zu einer beliebten Delikatesse geworden.

Zeitgeschichtliches Museum

Auch die Jersey War Tunnels, die sich östlich von St. Peter's Valley im Inselinneren befinden, haben bald nach dem Zweiten Weltkrieg eine sinnvolle Bestimmung gefunden: als Museum für Zeitgeschichte.

Durch weiß gekalkte Röhren werden die Zuschauer von Zeitkapsel zu Zeitkapsel geschleust: Toncollagen, Fotos, Original-Zeitungsartikel, Filmsequenzen, dramatisch eingesetzte Lichteffekte und plakative Überschriften wie "Stay or leave?" - "Bleiben oder gehen?" - lenken ihre Aufmerksamkeit auf die unterschiedlichen Themen.

zahlreiche Zeitzeugen konnten noch gefunden werden, die ihre Erlebnisse im Zuge einer Oral-History-Befragung erzählten. Berührend sind diese Dokumente, authentisch und manchmal auch schockierend.

In einigen Räumen sind Original-Schaustücke aus der Zeit zu sehen: Koffer, ein Feldbett, ein altes Motorrad, Uniformen sowie das Arbeitsgewand der Zwangsarbeiter und ihre Werkzeuge. Den Besuchern die Möglichkeit zu geben, aus der Vergangenheit zu lernen, ist das Hauptanliegen der Ausstellung in den Jersey War Tunnels.

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