"Juristische Hürden"
EU-Bürgerbegehren: SPÖ schreckt zurück
Mit 1. April werden in der EU länderübergreifende Volksbegehren möglich. Die SPÖ, die europäische Volksbegehren zum Atomausstieg und zur Finanzmarktregulierung groß angekündigt hatte, schreckt nun davor zurück. Der Rückzieher wird mit juristischen Argumenten begründet, die für Rechtsexperten nicht nachvollziehbar sind.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 10.1.2012
Mühsame Ratifizierungsprozesse
SPÖ-Geschäftsführerin Laura Rudas würde gern bereits im April ein europaweites Volksbegehren initiieren, sieht aber juristische Probleme. Den Grund sieht Rudas in den mühsamen Ratifizierungsprozessen in der EU. So müssten sieben Ländern ratifiziert haben, damit ein entsprechendes Begehren eingereicht werden könnte, erklärte Rudas im Ö1-"Mittagsjournal".
Für den Europarechtsexperten Walter Obwexer von der Universität Innsbruck ist das nicht nachvollziehbar. Das Einbringen einer Bürgerinitiative sei im Artikel 3 der EU-Verordnung geregelt, und dieser Artikel sei ab 1. April 2012 direkt anwendbar.
Auch ohne Ratifizierung möglich
So müssten nur sieben Personen aus sieben verschiedenen EU-Staaten aktiv werden und bei der Kommission eine Bürgerinitiative zur Registrierung anmelden. Und zwar unabhängig davon, ob in den sieben Staaten schon Durchführungsbestimmungen erlassen worden sind oder nicht.
Eine Verordnung sei für alle EU-Mitgliedsstaaten verbindlich und anwendbar, erklärt Verfassungsrechtler Heinz Mayer dazu. Für das Sammeln von Unterschriften sind trotz EU-Verordnung dennoch Durchführungsbestimmungen notwendig, die regeln, welche Behörden national zuständig sind. Österreich wird diese Bestimmungen fristgerecht bis März beschließen.
Experten: Begehren zu Atomausstieg nicht möglich
Die SPÖ hätte damit grünes Licht für ihre Bürgerbegehren und könnte damit Vorreiter sein. Denn im Gegensatz zur FPÖ, die zwar die direkte Demokratie einfordert, aber sich noch nicht einmal auf ein Thema für eine Bürgerinitiative festgelegt hat, wissen die Sozialdemokraten, worum es gehen soll: um die Regulierung der Finanzmärkte.
Das Thema europäischer Atomausstieg hat die SPÖ bereits beiseite gelegt. Laut Rechtsexperten Obwexer wäre ein solches Begehren von vornherein zum Scheitern verurteilt, da die EU weder die Wahl der Energieversorger noch den Atomausstieg festlegen darf. Eine entsprechende Bürgerinitiative dürfte bereits bei der Registrierung nicht zugelassen werden, so Obwexer.