Debütkrimi von Tony Black

Geopfert

Angeblich gibt es ja so etwas wie Deja-vu-Erlebnisse, und wer den irischen Krimi-Autor Ken Bruen gelesen hat, der im deutschen Sprachraum durch seine von Harry Rowohlt übersetzte Jack-Taylor-Reihe bekannt geworden ist, der fühlt sich bei diesem Buch unweigerlich an Bruen und seinen heruntergekommen "private eye" von Galway erinnert.

Aber eines nach dem anderen: Tony Black heißt der in Australien geborene, schottische Journalist und Kriminalschriftsteller. "Geopfert", im Original heißt der Krimi "Paying for it", ist Blacks Debüt anno 2008 gewesen. Weitere Bücher folgten, und sie sollen auch noch in diesem Jahr in Übersetzung bei uns erscheinen.

Absturz

Also worum geht's? Der Held heißt Gus Dury, ein ehemaliger Journalist aus Edinburgh, der einem schottischen Minister für Einwanderungsfragen bei einem missglückten Interview mehr oder minder unabsichtlich die Nase gebrochen hat. Das war's. Schluss, Aus und Ende der Karriere.

Bei Bruen-Lesern klingelt es jetzt ganz sicher, denn die Polizeilaufbahn seines Helden, eben Jack Taylors, fand durch einen ähnlichen Vorfall ihr unrühmliches Ende. Und auch der weitere Entwicklungsweg der beiden Romanfiguren lässt sich durchaus vergleichen: Allgemeines Absacken, Drogen und vor allem Alkohol.

Der ehemalige Star-Journalist Dury ist zum "outcast" einer Edinburgher Gesellschaft geworden, die ihr globalisiertes Fortkommen mit Schicki-Micki-Lokalen, zerstörerischer Modernisierung ganzer Stadtviertel, touristischer Kitschoffensiven, sowie der massenhaften Einfuhr und entsprechenden Ausbeutung billiger Arbeitskräfte in allen erlaubten und verbotenen Branchen bestreitet.

Jede Menge Blut und Alkohol

Von Letzterem handelt auch im Großen und Ganzen Tony Blacks Krimidebüt. Als der Sohn eines Freundes von Dury grausam zugerichtet - zu Tode gefoltert hieße der richtige Ausdruck - in Edinburgh gefunden wird, beginnt der traurige und hoffnungslos versoffene Held wider Willen zu ermitteln.

Was sich da auftut, ist nicht weiter überraschend - außer für diejenigen, die Edinburgh noch immer für eine friedliche und romantische Perle Schottlands halten. (Verglichen mit Glasgow mag das vielleicht ja auch stimmen). Auf alle Fälle geht es in diesem Krimi um Menschenhandel, um organisierte Kriminalität, um Korruption im Polizei- und Politikapparat.

Es fließt viel Blut in diesem Roman, noch stetiger strömt nur der Alkohol durch die Kehle seines Helden. Und dieser erweist sich als trinkfest, schlagfertig und durchaus in der Lage, eins und eins zusammenzuzählen, bis er dann die gesamte Edinburgher "Verbrecher- und Politblase" platzen lässt.

Passende Mixtur

Das Fazit für Tony Blacks Buch "Geopfert" ist ein zwiespältiges: Keine Frage, der Mann kann schreiben, er entwirft überzeugende Plots und er hat einen ausgeprägten Sinn für Humor der sarkastischen Marke. Spannende Lektüre.

Auf der anderen Seite erinnert tatsächlich zu vieles an Ken Bruen, dem Black auch eine kleine Hommage widmet, indem er ihn in ein Bücherregal mit Lawrence Block, Derek Raymond, Andrew Vacchs und David Peace stellt. Lauter hohe Herren des Krimi-Genres.

Tipp eins: Lesen Sie Tony Black und dazu auch einen Ken Bruen. Der jüngste der Jack-Taylor-Reihe ist gerade in deutscher Übersetzung im Atrium Verlag erschienen: "Jack Taylor auf dem Kreuzweg".

Tipp zwei: Vergessen Sie PR-Etikettierungen wie "irish noir", gemünzt auf Bruen, oder "scottish noir", bezogen auf Black. Wichtig ist nur eines: Stoff und Mixtur müssen passen.

Service

Tony Black, "Geopfert", aus dem Englischen übersetzt von Jürgen Bürger, Zsolnay Verlag

Zsolnay - Geopfert