Neues Stück im Kosmos Theater

Ersatzidentität Avatar

Am Mittwoch, 18. Jänner 2012, wird im Kosmos Theater "Entkörperung.Zwei.Null", ein Stück der jungen Autorin Claudia Tondl, uraufgeführt. Sie setzt sich darin mit Identitätskrisen auseinander, die durch das Verschwimmen der materiellen und der virtuellen Realität entstehen können.

Ihre Protagonisten sind Mitarbeiter einer Webagentur, die Avatare, also virtuelle Wesen, programmieren und sie den Menschen draußen als Identität verkaufen.

Kulturjournal, 17.01.2012

"1,63, ist selbstständig und arbeitet permanent, ist immer mit anderen zusammen, kommunikativ, eloquent, präsent, aber trotzdem nicht aufdringlich, im Katalog auf alle Fälle exklusiv auszuweisen", sagt Gemma im Stück "Entkörperung.Zwei.Null". Er ist der Kreator neuer Avatare, also künstlicher Wesen im Internet, in der Web-Agency. Die Avatare werden dann programmiert und angepasst als Identitäten verkauft.

Die Autorin Claudia Tondl, die ihr Stück als Gedankenspiel bezeichnet, erklärt: "In dem Fall sind die Avatare, die sie schaffen, eigentlich Ichs, so wie aus einem Versandkatalog. Wenn ich draußen in der Welt mein Ich verloren habe, kann ich mich an diese Agency wenden und kann über den Online-Shop einen Avatar bestellen."

Die Welt als Computerspiel

Der Avatar-Designer Gemma sucht selbst nach einer Identität, die er in der Beziehung mit dem Agentur-Chef Alpha verloren hat. Um seinem Ziel näher zu kommen, arbeitet er Tag und Nacht und setzt sich dem Druck des Agentur-Alltags aus, der vor allem durch die stellvertretende Leiterin Beta dominiert wird.

Beta kommuniziert wie alle anderen in abgehackten, unfertigen Sätzen. Diese Sprache gab Tondl ihren Figuren, um den immer stärker werdenden Stress im Arbeitsalltag zu symbolisieren. Hier bekommt der Titel "Entkörperung" zum Übergang der Identitäten in einen virtuellen Raum eine zusätzliche Bedeutung.

"Durch diese Beschleunigung entsteht so eine Entkörperung", sagt Tondl. Für Tondl stellt sich durch die Entkörperung auf diesen Ebenen der freien Entscheidungen die Frage nach der dahinterstehenden Kontrolle, denn die Welt draußen werde dann eine Art Computerspiel, wo "die geschaffenen Identitäten herumlaufen. Die Frage ist dann, wer die Fäden zieht."

Einer, der keine Antwort auf diese Frage geben will, ist der Leiter des Österreichischen Forschungsinstituts für Artificial Intelligence, Universitätsprofessor Robert Trappl. Er stütze sich lieber auf die Empirie und wolle keine Zukunftsprognosen kreieren.

Aus dem Sanskrit entlehnt

Zur Entwicklung der Avatare sagt Trappl: "Die Idee war ursprünglich, kann ich Personen machen, die nicht Text-basiert sind, sondern auch ein gewisses Aussehen haben." Mit dem Fortschritt der Computergrafik seien diese Avatare immer menschenähnlicher geworden.

Das Wort "Avatar" selbst kommt aus dem Sanskrit und bezeichnet das Herabsteigen und die Menschwerdung von Göttern. Dadurch, dass das Internet Schnelllebigkeit genauso wie eine faktische Unauslöschbarkeit in sich vereint, könnten Avatare als Webidentität in einer gewissen Weise zu einer ewigen Existenz verhelfen.

Persönlichkeitsbildung von Robotern

Interessant für die Forschung sei aber in erster Linie die Persönlichkeitsbildung von Avataren und vor allem von Robotern. Roboter als Beziehungspartner werden ebenso weiterentwickelt wie Roboter als Pflegekräfte. Die Europäische Union finanziert gerade ein Projekt, in dem versucht wird, Robotern menschliche Entwicklungsschritte beizubringen.

"Die Idee ist, zu schauen, wie lernt ein Kind vom Säugling angefangen bestimmte Verhaltensweisen und Reaktionen", so Trappl.

Das Stück "Entkörperung.Zwei.Null" wird bis 4. Februar 2012 im Kosmos-Theater vom Theater-Kollektiv Angström gespielt.

Textfassung: Ruth Halle

Service

Ö1 Club-Mitglieder bekommen im Kosmos Theater ermäßigten Eintritt (zehn Prozent).

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