Biografien zu seinem 300. Geburtstag
Friedrich der Große
Friedrich II., genannt "der Große", war eine widersprüchliche Persönlichkeit. Rechtzeitig zum 300. Geburtstag des Preußen-Königs sind einige Biografien erschienen.
8. April 2017, 21:58
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Keine andere Gestalt der deutschen Geschichte wurde in populären Medien und in der nationalsozialistischen Propaganda auch nur annähernd so oft behandelt wie dieser Preußenkönig. Denn mit ihm hatte das Regime das gesamte "preußische Beispiel" in der Hand, um den eigenen Machtanspruch historisch abzusichern.
Widersprüchliche Figur
"Friedrich der Große" lautet der schlichte Titel der Biografie, die der Journalist und Historiker Tillmann Bendikowski verfasst hat. Und sie ist mit Sicherheit die kritischste unter den Neuerscheinungen, die rund um den 300. Geburtstag von Friedrich II. von Preußen erscheinen.
Für Bendikowski ist der Preußenkönig eine widersprüchliche Figur: Er war ohne Zweifel von der Epoche der Aufklärung getragen, schaffte die Folter ab, zugleich zögerte er nicht, als "Hasardeur" Schlachten zu führen, in denen Tausende Soldaten ihr Leben ließen. Seine militärischen Erfolge machen für den Autor auch den Mythos des Preußenkönigs aus. So haben sich Wilhelm II., Adolf Hitler, eigenartigerweise auch die DDR unter Honecker auf Friedrich und die preußischen Tugenden berufen. Immer wenn es um Treue, Gehorsam und Vaterland geht, tritt auch der "Alte Fritz" auf den Plan.
"Ruhmsucht" und "Eigensinn"
Von "gloire", von der Sucht nach Ruhm und Ehre gezeichnet sieht der Historiker Jürgen Luh den Preußenkönig. In "Der Große. Friedrich II. von Preußen" meint aber diese "gloire" nicht nur den militärischen Bereich, sondern auch Philosophie, Kunst und Verwaltung des Staates. Aber genau diese "Ruhmsucht" und dieser "Eigensinn", so die Überschriften von zwei der vier groß angelegten Kapitel in Luhs Buch, machten aus Friedrich einen Menschen, der sich weit von den meisten Monarchen seiner Zeit abhob.
Luh macht kein Hehl daraus, dass Friedrich keinerlei Argumente in der Hand hielt, als er ins Habsburgische Schlesien einmarschierte und damit einen langjährigen militärischen Konflikt von europäischer Dimension in Gang brachte. Nur, Luh sagt auch eines: Absolutistische Herrscher brauchten damals keinerlei Rechtfertigung für ihre Expansionswünsche.
Der "Soldatenkönig"
Und noch etwas gilt, wie Luh und auch andere Biografen festhalten: Friedrich kämpfte mit seinen Truppen, führte sie in oft lebensgefährlichen Situationen an. Mehr noch als sein Vater Friedrich Wilhelm I. war Friedrich ein "Soldatenkönig", der stetig an der Effizienz seiner Truppen arbeitete. Die großen Armeen im österreichischen, russischen oder französischem Lager wurden nicht von Herrschern, sondern von Heerführern geleitet, die im strategischen Zusammenspiel oft uneins waren und schwerfällig agierten. Auch das macht den Mythos, aber ebenso den Erfolg von Friedrich aus. Und es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass in diesem Punkt Napoleon Bonaparte sich als Heerführer in der Tradition des Preußenkönigs sah.
Doch wollte Friedrich nicht ein Herrscher der Aufklärung sein? Philosophisch ja, militärisch nein, müsste die Antwort ausfallen. Allerdings zeigt sich auch im Bereich des Geistes Friedrichs Eigensinn: Seine Gedichte, seine philosophischen Traktate schrieb er auf Französisch, auf die lebenslange, manchmal etwas getrübte Freundschaft mit Voltaire war Friedrich besonders stolz. Er war also frankophil bis in die letzte Gehirnwindung und betrachtete das Deutsche als eine Art Sammelsurium für militärische Befehle und administrative Anweisungen. Luhs Urteil fällt dementsprechend aus.
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Die Entwicklung der Sprache und Literatur im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation lief völlig an Friedrich vorbei.
Der Mythos des Preußenkönigs
Ein durchaus positives Friedrich-Bild zeichnet Norbert Leithold. Die schön gestaltete "Andere Bibliothek"-Publikation trägt den Titel "Friedrich II. von Preußen. Ein kulturgeschichtliches und bebildertes Panorama von A bis Z". Alphabetisch geordnet erfährt man Amüsantes zu Friedrichs "Feldbett" oder seinem sprichwörtlichen "Geiz", Interessantes zu seiner ausgeklügelten "Geheimdiplomatie", zum "Hofstaat" oder zum Lebensweg von allen Geschwistern Friedrichs – immerhin drei Brüder und sechs Schwestern.
Insgesamt fällt Leitholds Friedrich-Bild dann doch etwas unkritisch positiv aus und befördert den Mythos des Preußenkönigs. Und dieser Mythos wird seit je her von einer Sache angenagt. Es ist das Stichwort "Homosexualität". Norbert Leithold schreibt:
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Eingedenk des überkommenen Friedrich-Bildes, ist es schwer, sich diesen Monarchen als Schwulen vorzustellen. Verkleidete er sich als Tunte? Lief er untergehakt mit seinen Amouren durch Schloss und Park?
Leithold verteidigt "seinen" großen Friedrich vehement gegen dessen vermeintlich homosexuelle Neigungen und merkt dabei nicht, dass er als Autor in die Lächerlichkeit abrutscht. Denn erstens führen die anderen Biografen sehr wohl historische Zeugnisse ins Feld, die Friedrich zumindest als latent schwul erscheinen lassen. Doch zweitens gilt allgemein: Es ist unglaublich, dass zu Friedrichs 300. Geburtstag - also im Jahr 2011, 2012 - der Homosexualität noch immer so viel Platz eingeräumt wird, um die Größe des Preußenkönigs entweder zu demontieren oder sie - in der Negation seiner (vermeintlich abartigen?) Sexualität - zu zementieren! Manche Biografen hüsteln auch ein wenig und geben zu bedenken: Vielleicht hatte sich der große König eine Geschlechtskrankheit zugezogen und lebte deshalb so seltsam abgeschieden?
Trockener Humor
Eine abschließende Antwort darauf gibt der Historiker Wolfgang Burgdorf in seinem "Biografischen Porträt. Friedrich der Große". Sie ist dem trockenen Witz des Preußenkönigs ebenbürtig.
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Als Held konnte er weder impotent noch schwul sein, aber er konnte eine "galante" Krankheit haben, und die zog er sich dann nach seinem Tod zu.
Allein diese Auswahl von Biografien zeigt, dass es zum 300. Geburtstag von Friedrich dem Großen eine Menge Neues und Interessantes zu erfahren gibt. Manch Anekdote reizt zum Lachen. Und bei so manch historischem Streit ums Detail kann man halt nur den Kopf schütteln.
Service
Tillmann Bendikowski, "Friedrich der Große", C. Bertelsmann
Jürgen Luh, "Der Große. Friedrich II. von Preußen", Siedler
Norbert Leithold, "Friedrich II. von Preußen. Ein kulturgeschichtliches Panorama von A-Z", Die andere Bibliothek / Eichborn
Wolfgang Burgdorf, "Friedrich der Große. Ein biografisches Portrait", Herder