Enttäuschung, aber auch Zuversicht
Ägypten feiert die Revolution
Vor genau einem Jahr haben in Kairo jene Massendemonstrationen begonnen, die zum Sturz von Staatschef Hosni Mubarak führten. Zum Jahrestag des Beginns der Ägyptischen Revolution finden auf dem symbolträchtigen Tahrir-Platz Feiern statt. Doch nicht alle Ägypter sind in Feierstimmung, viele sind enttäuscht, dass der Oberste Militärrat noch immer die politischen Fäden im Land zieht. Trotzdem überwiegt die Zuversicht.
27. April 2017, 15:40
Mittagsjournal, 25.01.2012
Jahrestag der Revolution,
Am Beginn stehen Massendemonstrationen
Und wieder ist es der Tahrir-Platz, auf den sich das Augenmerk heute richtet. Schon seit den Nachstunden strömen tausende Menschen hierher. Zelte werden aufgebaut, Tribünen errichtet - alles eben vorbereitet für die großen Kundgebungen am Nachmittag. Es gilt den Jahrestag der Ägyptischen Revolution zu feiern.
Man mag sich inzwischen vielleicht schon an die Bilder des mit Menschen überfüllten Tahrir-Platzes gewöhnt haben. Doch es ist erst ein Jahr her, dass die erste Massendemonstration hier stattfinden. Hundertausende fordern Demokratie und Freiheit und den Rücktritt von Staatschef Hosni Mubarak.
Der Sturz Mubaraks
Mubarak versucht es zunächst mit Zugeständnissen an die Massen, lässt dann aber Polizei und Armee aufmarschieren. Es kommt zu blutigen Zusammenstößen. Es gibt Tote und Verletzte.
Doch die Menschen lassen sich nicht einschüchtern. Es werden immer mehr, die auf den Tahrir-Platz strömen und die auch in anderen ägyptischen Städten auf die Straße gehen. Das Militär stellt sich auf die Seite der Demonstranten.
Nach 18 Tagen ununterbrochener Proteste tritt Hosni Mubarak zurück. Er wird in Sharm el Sheikh unter Hausarrest gestellt.
Macht übernimmt Oberster Militärrat
Die politische Führung in Ägypten übernimmt der Oberste Militärrat unter General Tantawi. Er soll demokratische Reformen einleiten und Wahlen vorbereiten, wird betont. Doch die Reformen lassen auf sich warten - im Sommer kommt es zu neuen Massenprotesten in Kairo - diesmal gegen die Militärführung. Man habe nicht ein Regime verjagt um es bloß durch ein anderes zu ersetzen - so der Tenor.
Prozess gegen Mubarak
Im August beginnt der Prozess gegen Hosni Mubarak. Er wird wegen Amtsmissbrauch, illegaler Bereicherung und wegen brutalen Vorgehens gegen die Demonstranten im Jänner angeklagt. Ihm droht die Todesstrafe.
Neue Proteste münden in Wahlen
Im Herbst schwellen die Proteste gegen den Obersten Militärrat an. Die Menschen fordern eine echte zivile Regierung. Wieder sind Hunderttausende auf dem Tahrir-Platz versammelt. Es kommt zu Straßenschlachten mit zahlreichen Toten.
Der Militärrat lenkt letztlich ein und kündigt Präsidentenwahlen für den kommenden Sommer an.
Im Dezember beginnen die ersten Parlamentswahlen, die in mehreren Phasen durchgezogen werden. Eine Rekordwahlbeteiligung ist zu verzeichnen, 62 Prozent der Ägypter gehen zu den Urnen. Die Islamisten gehen als klare Wahlsieger hervor. Stärkste Kraft sind die Muslimbrüder. Am Montag fand die erste Sitzung des neuen Parlaments statt.
Nicht Allen zum Feiern zumute
Am heutigen ersten Jahrestag der Revolution ist nicht allen hier in Ägypten zum Feiern zumute. Das neue Ägypten haben sich viele anders vorgestellt. Der Wahlsieg der Islamisten wird von den Säkularen und Intellektuellen mit Argwohn verfolgt. Und dass der Oberste Militärrat noch immer das Sagen hat - wird von den meisten hier abgelehnt: „Das ist kein Jahrestag der Revolution, denn die Revolution ist noch nicht zu Ende“.
Viele sind heute nicht um Feiern hierhergekommen, sondern um den Machthabern zu zeigen, dass der Tahrir-Platz nichts von seiner politischen Brisanz verloren hat.
Zwischen Wut und Zuversicht
Am 25. Jänner 2011 begannen die Demonstrationen, heute tragen Viele auf dem Tahrir-Platz Transparente mit der Aufschrift: "Nieder mit der Militärherrschaft"! ORF-Korrespondent Karim El Gawhary in Kairo hat von Anfang über den Kampf gegen Mubarak und für die politische Freiheit berichtet - aber der Weg zur Freiheit scheint noch weit. Das Militär war für Mubarak der Machtgarant und das Militär übt diese Macht weiter aus. Viele Menschen sind darüber aufgebracht. Allerdings herrscht auch Zuversicht, was die Zukunft anbelangt.
Mittagsjournal, 25.01.2012
Hubert Arnim-Ellissen im Gespräch mit