Jugend ohne Hoffnung
Arbeitslos in Spanien
Die Arbeitslosigkeit in Spanien hat in den letzten Wochen dramatisch zugenommen. Die Arbeitslosenquote erreichte Ende 2011 die 23 Prozent-Marke: das ist europaweit ein Negativ-Rekord. Unter 25 Jahren ist die Lage noch kritischer: Jeder zweite in dieser Altersgruppe ist auf Arbeitssuche.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 30.01.2012
Aus Madrid,
Die EU-Regierungschefs suchen heute in Brüssel nach Wegen aus der Beschäftigungskrise. In Zeiten drastischer Sparprogramme, die auch in Spanien kaum mehr Mittel für öffentliche Aufträge bereitstellen, soll jetzt die EU einspringen und die Beschäftigungsprogramme finanzieren.
Fünf Millionen ohne Arbeit
5.273.600 Arbeitssuchende zählte das Statistikamt mit Ende des vergangenen Jahres. Eine von ihnen ist Mariela, eine Küchengehilfin aus Portugal. Seit vier Jahren hat sie in Spanien gearbeitet, vor einer Woche wurde sie entlassen. In der Arbeitslosenquote zeigt sich der Abstand Spaniens gegenüber Europa deutlich: 23 Prozent der aktiven Bevölkerung suchen Arbeit, in Österreich liegt der Anteil bei 5,5 Prozent. Von den 24 Millionen EU-Bürgern, die laut Eurostat arbeitslos sind, lebt ein gutes Fünftel in Spanien.
Akademiker mit Mc Jobs
Dramatischer, als es die nüchternen Zahlen ausdrücken, ist die Lage der Menschen zwischen 15 und 24 Jahren. In Österreich haben in dieser Altersgruppe acht Prozent keine Beschäftigung, in Spanien 49,6 Prozent. Jeder zweite sucht einen Job. Silvia hat ihr Kunstgeschichtestudium abgeschlossen, jetzt sucht sie Arbeit. Im grafischen Design und der Gestaltung von Webseiten gibt es Angebote, aber dafür wird sich die Kunstgeschichte-Absolventin noch weiterbilden müssen.
In den Medien ist bereits von einer Generation „ohne Zukunft“ die Rede ist. Ausgebildete Akademiker sind Teil des spanischen Prekariats: sie leben von Gelegenheitsjobs, dienen sich durch Zeitverträge, arbeiten an Forschungsprojekten und hoffen auf bessere Zeiten.
Nacho ist 25 Jahre alt und promovierter Sprachwissenschafter. Auf vier Jahre befristet hat er einen 1000 Euro-Job an der Universität bekommen. „Es tut mir leid, dass in unserem Land ausgebildete Akademiker nicht anerkannt werden. Millionen werden für ihre Schulung ausgegeben und dann gehen sie ins Ausland und sind dort produktiv.“
Viele gehen weg
Erstmals seit den Boom-Jahren, als die steigende Zahl ausländischer Arbeitskräfte ein trügerisches Bild vom Wohlstand prägte und die Immobilienblase dem Land Wachstumsraten über dem europäischen Schnitt bescherte, sinkt die Bevölkerung wieder. Neben den Gastarbeitern, die Spanien mangels Zukunftsperspektiven den Rücken kehren, sind es zunehmend auch Studienabgänger, die ihr Heil und einen rechtmäßig entlohnten Job im Ausland suchen.
Mariana hat ihr Bauingenieur-Studium abgeschlossen, die Aussichten am Arbeitsmarkt sind düster. „Ich bin arbeitslos, es gibt keinerlei Job in meiner Branche, außerdem habe ich keine Berufserfahrung. Als ich mit dem Studium fertig wurde, platzte die Immobilienblase.“
Nur die Familie hilft noch
Mehr als ein Drittel aller Spanier, die anderswo längst einen eigenen Haushalt gegründet hätten, wohnen im geschützten Biotop der elterlichen Wohnung. Die Altersgruppe zwischen 25 und 35 Jahren entdeckt – notgedrungen – die Vorteile des Familienverbands.
Doch auch der soziale Rückhalt im Familienverbund bröckelt: In rund 1,6 Millionen Haushalten gibt es keinen einzigen Verdiener mehr.
Wieder muss Spanien seine Hoffnungen auf Hilfe aus Brüssel setzen. Dort wird auf dem Sondergipfel über neue Beschäftigungsprogramme beraten. Wie viele Milliarden Euro aus dem Europäischen Sozialfonds den Spaniern auf Arbeitssuche zugutekommen, soll in den nächsten Stunden ausgehandelt werden.