Großmacht ohne Mittel?
Syrien als Vehikel russischer Weltpolitik
Russland zeigt großes Interesse daran, dass die internationale Gemeinschaft sich in Syrien nicht einmischt. Dahinter steckt aber nicht nur die Angst, einen wichtigen Kunden für die russischen Waffenexporte zu verlieren. Die russische Führung fürchtet, internationalen Einfluss zu verlieren. Genau das könnte durch die aktuelle Politik aber eintreten, warnen Kritiker.
27. April 2017, 15:40
Mittagsjournal, 7.2.2012
Analyse von Markus Müller in Moskau
Nullsummenspiel mit der Nato
Der Geist von Muammar Al-Gaddhafi ist immer dabei, wenn Russland sich zu Syrien äußert. Der Sturz des libyschen Dikators duch die Nato - so wenigstens die Moskauer Wahrnehmung - ist das neue Trauma der russischen Außenpolitik. Gaddhafi war war zwar schon lange kein enger Verbündeter mehr, aber Russland hat durch den Machtwechsel doch einige lukrative Aufträge verloren. Und trotz des viel beschworenen "Reset-Peresagruska" der Beziehungen zu den USA betrachtet die Führung den Westen und speziell die Nato weiter als den eigentlichen Feind und nicht als Partner, die Beziehung gleicht weiter einem Nullsummenspiel: Wenn die Nato gewinnt, verliert Russland.
"Phantom-Imperialismus"
Die Zustimmung Russlands zur UNO-Resolution, die später die Grundlage für die Luftangriffe der NATO war, führte sogar zu einem kurzen öffentlich Zerwürfnis zwischen Noch-Präsident Medwedew und Premier Putin. Ein solcher Schnitzer, das ist allen klar, darf auf keinen Fall noch einmal passieren, schon gar nicht mitten im Wahlkampf, in dem Wladimir Putin immer wieder die Wiedergeburt Russlands als Großmacht beschwört. Das sei "Phantom-Imperialismus", kommentiert die Internet-Zeitung "gazeta.ru". Russland betreibe die Außenpolitik einer Großmacht, ohne die Mittel einer Großmacht zur Verfügung zu haben.
Einfluss schrumpft
Warum Syrien für Russland wichtig ist zeigen zwei Karten, die das Magazin "Novoe Vremja" vor kurzem veröffentlicht hat. Auf der einen sind die Verbündeten der Sowjetunion zu sehen: Osteuropa, Teile Asiens, Halb Afrika. Die andere Karte zeigt die heutigen Verbündeten: Kuba, Venezuela, Syrien. Kein Wunder, dass Russland mit aller Kraft verhindern will, dass diese Liste noch kürzer wird. Dass dabei die Beziehungen zum Westen aufs Spiel gesetzt werden, in Kauf genommen. Gleichzeitig hat Moskau keinen Plan für die Zukunft Syriens, es gibt nur den Wunsch, nicht an Einfluss zu verlieren. Für eine Lösung des Konfliktes wird das wohl zu wenig sein.
"Geheime Nachricht für Assad"
Außenminister Lavrov habe eine geheime Nachricht von Präsident Medwedew an Baschar Al-Assad, um die Situation zu beruhigen, heißt es in den russischen Medien. Wenn es Lavrov bei seinem Besuch nicht gelinge, Assad zu Zugeständnissen zu bewegen, kommentiert die Wirtschaftszeitung "Kommersant", sei Russland in Syrien aber für lange Zeit abgemeldet.