Maartje Oldenburg über ihren Vater

Kunstraum Wohnzimmer

Seit ihrer Kindheit begleitet sie ihn durch sein Kunstschaffen. Für seine aktuelle Ausstellung im Wiener Museum Moderner Kunst verfasste Maartje Oldenburg begleitende Texte.

Claes Oldenburg ist einerseits bekannt für seine gigantischen Skulpturen von Alltagsgegenständen, wie etwa einen meterhohen Lippenstift, und andererseits für seine Verarbeitung der Micky-Maus-Figur. So konstruierte er das "Mouse Museum", ein Miniaturmuseum in Form eines Micky-Maus-Kopfes. All das sei eine Sache der Perspektive, sagt Maarjte Oldenburg über die Kunst ihres Vaters:

"Gestern Abend, als wir kurz Zeit hatten vor dem Essen, sagte Claes zu mir: Es geht immer um das Sehen. Und ich denke, das trifft wirklich auf ihn zu. Er hat eine sehr besondere Art, die Welt zu sehen. Er reduziert sie auf grundlegende Formen, und ausgehend von diesen Grundlagen, kreiert er äquivalente Formen. So kommt er von 'Ray Gun', das nur einen rechen Winkel beschreibt, zu einer Spielzeugpistole, zu einem Abflussrohr, zu einer Zigarette - und das geht immer so weiter. Das ist eben seine Art, egal welche Situation wahrzunehmen. Wenn ich nur Bücher auf einem Regal sehe, sieht er etwas völlig anderes."

Ein Künstlerhaushalt

Mit vier Jahren kam Maartje Oldenburg mit ihrem Bruder und ihren Eltern in die Broome Street nach New York, wo Claes Oldenburg noch heute sein Atelier hat. Maartjes Mutter, Coosje van Bruggen, die 2009 verstarb, war ebenfalls Künstlerin. Sie verwirklichte gemeinsam mit ihrem Ehemann Claes die großen Skulpturen. Maartje Oldenburg erinnert sich an eine Kindheit, in der die Grenzen zwischen Kunst und Familienleben immer fließend waren:

"Wir haben schulfreie Tage damit verbracht, einfach die Wohnung zu erforschen, Kästen aufzumachen und alle möglichen Dinge zu finden. Sammlungen von alten amerikanischen Comics, kleine Modelle seiner großen Skulpturen. Das war diese offene Beziehung zur Kunst und zu den Objekten, weil er immer diese Großzügigkeit in Bezug auf sein Werk hatte. Nichts ist jemals so kostbar, dass es ein Kind nicht angreifen darf."

In diesem Kunstraum, der gleichzeitig der Wohnraum war, wuchsen die Kinder sozusagen im Mouse-Museum auf und wurden von den Eltern immer wieder ermutigt, selbst kreativ zu sein. Die Kunstwerke der Kinder finden sich auch heute noch in den Sammlungen von Claes Oldenburg.

Ein Löffel als Lieblingsskulptur

Claes Oldenburg und Coosje van Bruggen ließen ihre Kinder nicht nur zu Hause an ihrer Kunst teilhaben, sondern nahmen sie immer auch auf Reisen zu Ausstellungen mit. Besonders hingezogen fühlt sich Maartje Oldenburg zur Skulptur "Spoonbridge and Cherry", ein riesiger Löffel, auf dem eine Kirsche liegt:

"Für mich bedeutet es besonders viel, weil der Löffel symbolisiert meinen Vater und die Kirsche meine Mutter. Claes hatte lange mit der Idee gespielt, aus einem Löffel eine Skulptur zu machen, aber er hatte keine richtige Idee. Und dann kam meine Mutter und nahm beiläufig eine Kirsche vom Regal und legte sie in den Löffel und sagte: Na bitte! Und so kam das Ganze zustande. Für mich ist es ein Werk, das sehr viel über Zusammenarbeit und die Schönheit von Formen aussagt."

Toughe Bankerin

Maartje Oldenburg wollte selbst nie Künstlerin werden. Sie studierte Japanologie, begann ein Doktorat und schreibt an einem Roman. Nach Jahren in Tokio und London lebt sie mit ihrem Ehemann und ihren drei Kindern wieder in New York, ganz in der Nähe von Claes Oldenburgs Atelier. Trotz der engen Verbindung, die sie immer zu ihren Eltern und deren Kunst empfand, durchlebte sie doch eine Zeit, in der sie aus dieser Welt ausbrechen wollte:

"Also nahm ich einen Job bei der Investment-Bank Goldman-Sachs in Tokio an, wo ich zu dieser Zeit studierte, und ich erinnere mich: Meine Mutter war wirklich am Boden zerstört. Sie sagte: Ich habe immer gewusst, dass ich meine Tochter eines Tages verlieren werden, aber ich hätte mir nie gedacht, dass ich sie an die Hochfinanz verlieren würde! Was heute natürlich sehr komisch ist. Aber ich bin dann früh genug erwachsen geworden."

Die nächste Generation

Mittlerweile hilft Maartje Oldenburg ihrem Vater bei der Konzeption seiner Ausstellungen. Und ihr jüngster Sohn tritt bereits in die Fußstapfen seines Großvaters.

"Ich sehe schon jetzt, welchen Einfluss er auf ihn hat. Mein fünfjähriger Sohn Julian sagt nicht: Ich will Künstler werden, sondern: Ich bin ein Künstler! Und wenn Claes zu ihm kommt, ist es wirklich schön zu sehen, wie sie fast als gleichwertige Partner über ihre Arbeitsweise sprechen und ihre bevorzugten Materialien. Claes ist so großzügig mit seiner Zeit und er fördert einfach Julians natürlichen Instinkt für die Kunst."

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Claes Oldenburg