Wirtschaft vor Strukturwandel
Chinas Konjunktur knickt ein
China hat jedes Jahr Wachstumsraten, von denen andere Länder nur träumen können. Doch auch der Wachstumsmotor der Weltwirtschaft ist nicht vor der Krise in Europa immun. Der Internationale Währungsfonds (IWF) warnt China, dass sich das Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr nahezu halbieren könnte.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 9.2.2012
Wachstum verlangsamt sich
Zwar prognostizierte der IWF China noch immer 8,2 Prozent Wachstum, jedoch könnte sich der Wert um vier Punkte verringern, wenn die Krise in Europa anhalte. Die Exporte Chinas ins Ausland wachsen zwar weiterhin, allerdings wesentlich langsamer als zuvor. Auch das Wirtschaftswachstum ist im vergangenen Quartal zurückgegangen. Ein neues Stimulus-Paket wie es Chinas Regierung zuletzt 2008 während der Wirtschaftskrise verabschiedet hat, ist trotzdem nicht zu erwarten. Denn China kämpft noch mit den Folgen des letzten Konjunkturprogramms.
Banken sitzen auf Schuldenberg
Verglichen mit anderen Ländern leidet China auf hohem Niveau, betrachtet man den Rückgang des Wachstums. Allerdings betrug das Wachstum 2010 noch mehr als zehn Prozent. Dass sich China so gut gehalten hat, das liegt auch an einem Konjunkturprogramm in der Höhe von hunderten Milliarden Euro, mit dem Chinas Regierung einen Einbruch des Wachstums am Höhepunkt der letzten Krise 2008 verhindert hat. Das Geld floss in Infrastrukturprojekte, ganze Städte wurden im Landesinneren aus dem Boden gestampft. Finanziert haben den Boom - auf Geheiß des Staates - Chinas Banken, die jetzt auf einem Berg an faulen Krediten sitzen. Viele Projekte haben zwar Arbeitsplätze gesichert, aber sich letztlich nicht gerechnet. Wie viel des geliehenen Geldes uneinbringlich ist, das ist noch nicht einmal in Ansätzen klar.
Immobilienmarkt überhitzt
Die Investitionswut hat außerdem die Inflation angeheizt und den Immobilienmarkt überhitzt. Provinzen und Gemeinden haben sich in hohe Schulden gestürzt, nicht selten für gigantomanische Projekte, deren Nutzen kaum ersichtlich ist. Und so steigen trotz der immer noch robusten Wachstumsraten die Risiken für Chinas Wirtschaft, sagt der Ökonom Alistair Thornton, der in Peking für die britische Denkfabrik Global Insight arbeitet. Er sagt, dass vor allem der Immobilienmarkt Schuld am Einbruch der Wirtschaft habe. Dazu komme die Krise in der Euro-Zone, die jederzeit explodieren könne, mit enormen Auswirkungen, so Thornton.
Sein Kollege Lin Yifu, Chefökonom der Weltbank sieht es etwas optimistischer: "China hat die finanziellen Möglichkeiten jederzeit in der heimischen Wirtschaft zu intervenieren und Wachstumsimpulse zu geben“, sagt Yifu. Er gehe davon aus, dass das schnelle und stabile Wachstum heuer und im nächsten Jahr anhalten werde".
Nährboden für soziale Konflikte
Die meisten Ökonomen halten acht Prozent Wachstum in diesem Jahr für realistisch. Acht Prozent gelten allerdings auch als kritische Schwelle für den chinesischen Arbeitsmarkt. Fällt das Wachstum darunter, dann gibt es nicht mehr genügend Jobs für die weit über 15 Millionen Menschen, die jedes Jahr neu auf Chinas Arbeitsmarkt drängen. Schon jetzt bilden sie den Nährboden für soziale Konflikte. Chinas Arbeiterschaft gibt sich jüngst selbstbewusster und fordert höhere Löhne, sowie bessere Arbeitsbedingungen. Die Zahl der Streiks in den Betrieben nimmt zu und damit auch die Ratlosigkeit der politisch Verantwortlichen.
China vor Strukturwandel
Chinas Wachstum beruht auf billigen Arbeitskräften und boomenden Exporten. Beides lässt sich auf Dauer aber nicht beibehalten. Schon jetzt machen steigende Löhne und die Unsicherheit auf den Exportmärkten zunehmend zu schaffen. Und so steht man vor einer paradoxen Situation: China muss jenes Wirtschaftsmodell, das dem Land jahrelang gut gedient und den rapiden Aufstieg ermöglicht hat, zerstören. Und es durch ein neues Modell ersetzen, in dem der Inlandskonsum Motor des Wachstums ist. Das dies in den kommenden Jahren nicht ohne soziale Konflikte ablaufen wird, das scheint so gut wie sicher.