Von WK-II- bis DDR-Erinnerungen

Ruinen in Berlin

Ruinen gehören zu Berlin wie die neuen Protzbauten rund um den Potsdamer Platz. Es waren Ruinen - der zerschossene Turm der Gedächtniskirche etwa, oder der verlassene Anhalter Bahnhof nahe des Mauerstreifens -, die sich den Westberlin-Touristen einprägten. Später, nach der Wende, suchten Berlin-Besucher nach den Überbleibseln aus DDR-Zeit.

Trümmerreste als Baumaterial

"Die Trümmerwüste, die größte Totenstadt Europas!" schrieb ein Zeitgenosse über das zerstörte Berlin 1945. 90 Millionen Kubikmeter Schutt galt es wegzuräumen, sagt Dorothee Dubrau, Stadtplanerin und Berliner Ex-Bezirksrätin. Wir stehen dort, wo einst das alte Berlin seinen Anfang nahm, im ehemaligen Marienviertel im Ostteil Berlins. Aus den Weltkriegsruinen wuchs bald das neue Berlin. Weil es an allem fehlte, dienten die Trümmerreste als Baumaterial.

Bereits in den 1950er Jahren schossen die Arbeiterpaläste entlang der damaligen Stalin-Allee aus dem Boden. Gebaut im Zuckerbäckerstil, wie die Ostberliner den protzigen Baustil des sozialistischen Klassizismus nannten. Mit den Trümmern, die nicht zur Wiederverwertung taugten, füllte man anfangs Bombenkrater, später wurden sie hochgetürmt zu künstlichen Bergen.

Schutt am Teufelsberg

Einer davon ist der Teufelsberg. Über 26 Millionen Kubikmeter Kriegs-Schutt lagert hier unter einer dünnen Grasnarbe. Der Teufelsberg inmitten des Grüngürtels Grunewald ist der höchste Trümmerberg Berlins. Wer die Abkürzung zur 115 Meter hohen Bergspitze nimmt, stolpert immer wieder über Ziegelsplitter und Betontrümmer, Reste des alten Berlin. Oben angekommen wartet eine futuristisch anmutende Szenerie auf den Wanderer: da ragt das Skelett eines Turmes in den Himmel, von dem zerschlissene Plastikplanen herabhängen - eine Ruine aus Zeiten des Kalten Krieges.

Bis zur Wiedervereinigung befanden sich unter der einst makellosen Plastikhaut hochsensible Antennen - der Bau diente als Abhörstation der Westalliierten. Wo früher bis zu eintausend Amerikaner und Briten den Funkverkehr bis nach Moskau abhörten, führt Christopher McLarren jeden Sonntag Besucher durch das verfallene Gelände. Bis 1991 war er hier selbst für den amerikanischen Nachrichtendienst tätig.

Sanierung von Ruinen

Auch Ruinen wollen gepflegt werden. Das merken die zahlreichen Berlin-Besucher, die sich am Kurfürstendamm im Herzen des einstigen Westberlin auf die Suche nach der wohl bekanntesten Innenstadt-Ruine machen. Seit bald einem Jahr verbirgt sich die Turmruine der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche hinter Alu- und Kunststoffplatten, die eher an eine Bürohaus-Attrappe erinnern als an ein Baugerüst. Zwei Jahre soll die Sanierung der Ruine dauern, denn die Mauerreste bröckelten wohl schon gefährlich.

Fast 70 Meter ist es hoch, das Mahnmal gegen den Krieg, das mangels anderer markanter Bauten zum Wahrzeichen Westberlins wurde. Ein grandioser Aufstieg, wenn man bedenkt, dass die Weltkriegsruine Ende der 1950er Jahre einem Neubau weichen sollte. Der Neubau wurde letzten Endes daneben errichtet.

DDR-Industrieruinen

Kurz nach der Wende waren es vor allem diese Altstadtruinen, die die West-Touristen anzogen. Heute gehören die mittlerweile sanierten Altbauten in den Stadtteilen Mitte, Prenzlauer Berg oder Friedrichshain zu den beliebtesten Wohngegenden der Stadt.

Sie warten noch darauf, aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt zu werden: die DDR-Industrieruinen nördlich der Spree, dort, wo früher die Mauer verlief. Bald nach der Wende zogen dort Clubs und Szenetreffs ein. Wie Nomaden ziehen sie seither von einem verlassenen Ort zum nächsten, den Investoren immer einen Schritt voraus. Auch im Zentrum finden sich verlassene Bauten, denen neues Leben eingehaucht wird. "Zwischennutzung" nennt es die Expertin.

Keine 300 Meter entfernt, am Alexanderplatz, könnten bald die nächsten DDR-Ruinen stehen. In den 1960er Jahren wurde der ehemalige Verkehrsknotenpunkt zum Vorzeigeplatz des realen Sozialismus ausgebaut. Rund um den Bahnhof entstanden jene Repräsentationsbauten im Stil der Moderne, die bis heute das Ostberliner Zentrum prägen: Prunkstücke der DDR-Architektur wie das Zentrum-Warenhaus oder das ehemalige Interhotel Stadt Berlin. In den Entwürfen zum Umbau des Platzes ist für das einst höchste Haus Berlins kein Platz mehr. Geht es nach dem Willen der Stadtplaner, dann soll hier bald eine moderne "Hochhaus-City" entstehen. Der erste Bebauungsplan sah 13 Hochhäuser vor, jetzt sind es immerhin noch neun, die die DDR-Bauten ersetzen sollen.

Wenn das Geld ausgeht

Weil die erste Euphorie nach der Wende verflogen ist, ist auch sie immer häufiger anzutreffen: die Investruine. Nicht immer sind die verlassenen Orte so skurril wie der Spree-Park, ein ehemaliger DDR-Rummelplatz, der zu einem modernen Vergnügungspark ausgebaut wurde, bis das Geld ausging. Heute steht auf dem Gelände nur mehr ein vor sich hin rostendes Riesenrad, das im Wind knarrt. Aber es gibt sie auch mitten in Berlin, die Investruinen.