Tag der Muttersprache

Kritik an sprachlicher Frühförderung

Expertinnen und Experten orten schwere Mängel bei der sprachlichen Frühförderung von Kindern. Sie setze zu spät an, kritisieren sie aus Anlass des Tages der internationalen Muttersprache. Das System funktioniere schlecht und es sei nicht gewährleistet, dass die Kinder gut Deutsch sprechen, wenn sie in die Volksschule kommen.

Morgenjournal, 21.2.2012

Mit Fünf ist es zu spät

Einiges an Geld fließt in die sprachliche Frühförderung in Kindergärten. Bis 2014 bekommen die Länder vom Bund fünf Millionen Euro pro Jahr. Zu wenig, klagen Experten. Die Kindergartenpädagoginnen seien überfordert, die Gruppen zu groß, die Muttersprachen der Kinder würden nicht gefördert, und wenn sprachliche Frühförderung mit fünf Jahren beginne, weil das Geld für die Jüngeren nicht reicht, sei das viel zu spät. Diese Kritik kommt von vielen Fachleuten, auch von Heidemarie Lex-Nalis von der Bildungsplattform EduCare. "Mit einem Jahr ist überhaupt nichts getan, denn Sprache funktioniert über Beziehung." Und Beziehung sei eine Frage der Zeit, so Lex-Nalis.

Früher und gratis

Sinnvolle Sprachförderung müsse viel früher beginnen, fordert auch Rudolf de Cillia vom Institut für Sprachwissenschaft an der Universität Wien. Er ist dafür, die Kinder schon im Alter von drei und vier Jahren in den Kindergarten zu schicken, und der solle gratis sein. Denn dass viele Eltern ihre Kinder erst im letzten Jahr in den Kindergarten geben, habe auch damit zu tun, dass er etwas kostet.

Auch "Familiensprache" fördern

Generell müsste der Bund mehr Geld in die Hand nehmen und es unter anderem auch in muttersprachliche Betreuung investieren, fordert der Sprachwissenschaftler. Die Kinder müssten nicht nur in Deutsch, sondern auch in den "mitgebrachten" Familiensprachen gefördert werden. Als Beispiel nennt De Cillia die interkulturellen MitarbeiterInnen in Niederösterreich.

Parallel lernen?

Ob ein Kind zuerst gut die Muttersprache beherrschen muss, um Deutsch zu lernen oder zwei Sprachen parallel lernen kann, da gehen die Meinungen allerdings auseinander. Zuerst müssten die Kinder ihre Muttersprache gut beherrschen, sagt Heidemarie Lex-Nalis. Das sei "die Grundlage für jedes Lernen".

Kinder könnten auch zwei Sprachen parallel lernen, entgegnet Rudolf de Cillia, unterstützt von Ulrike Gollonitsch-Gehmacher, Bildungsexpertin der Arbeiterkammer. Das würden wissenschaftliche Erkenntnisse belegen. Man müsse nicht die Muttersprache perfekt beherrschen, um Deutsch zu lernen.

Problem Muttersprache Deutsch

Einig sind sich die Expertinnen und Experten aber darin, dass Kindergartenpädagoginnen eine akademische Ausbildung brauchen. Und nicht zu vergessen: Ein Drittel aller Kinder mit Sprachproblemen hat Deutsch als Muttersprache, und diese dürften nicht vernachlässigt werden.