Gefühl der speziellen Benachteiligung
"Wutbürger" auf türkisch
Der Autor Inan Türkmen (24), Sohn zugewanderter Kurden, schreibt über die Situation der Jugendlichen zweiter Generation, die weder hier noch im Heimatland ihrer Eltern verwurzelt sind. Von "türkischen Wutbürgern" sprechen Medien, und auch der Integrationsexperte Kenan Güngör bestätigt, dass sich die zweite Generation ungleich behandelt fühlt und zunehmend zornig reagiert.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 2.3.2012
Zunehmende Gehässigkeit
Sie sind hier geboren und aufgewachsen, es geht ihnen besser als der Generation ihrer Eltern, und dennoch sind sie wütend und wollen endlich als gleichberechtigt angesehen werden, sagt Integrationsexperte Kenan Güngör. Auch die zweite Generation hat den Eindruck, nicht dazuzugehören, und ist seit einigen Jahren mit zunehmender Gehässigkeit konfrontiert, stellt Güngör fest. Zuletzt hat die europäische Wertestudie 2011 gezeigt, dass die Ablehnung von Zuwanderern in keinem anderen europäischen Land größer ist als in Österreich. Und diese Ablehnung treffe eben mit voller Wucht die Türken, obwohl sie nur die viertgrößte Migrantengruppe seien, sagt Güngör.
Politische Ratlosigkeit
Und so wie die Jugendlichen nicht wissen, wo sie hingehören, tun sich auch Politiker beider Länder schwer, sich zu entscheiden, wem die zweite Generation gehört, so der Experte. Er nennt als Beispiel, dass OVP-Klubchef Karl-Heinz Kopf mit einer ÖVP-Delegation in die Türkei gefahren sei, um dort über die Migrationsprobleme der Zuwanderer in Österreich zu sprechen. Das zeige, wie weit die Kinder, die in Österreich seien, verfremdet würden. Diese Verfremdung ortet Kenan Güngör auch beim jüngst ausgegebenen Motto der SPÖ Wien "Klare Worte, klare Ziele" und den "Wiener Positionen des Zusammenlebens".
Gefühl der Fremde
Auch in Wahlkämpfen haben die Kinder aus Zuwandererfamilien das Gefühl, hier fremd zu sein, sagt Kenan Güngör. Möglicherweise werden sie auch im Nationalratswahlkampf im kommenden Jahr als Sündenböcke herhalten müssen.