Vollbeschäftigung durch Cannabis?
Originelle Sparkonzepte spanischer Gemeinden
Der spanische Ministerpräsident Rajoy hat nach dem EU-Gipfel angekündigt, dass seine Regierung das Defizitziel für heuer einseitig anheben wird. Sanktionen der EU-Kommission fürchtet die konservative Regierung nicht. Sie will mit weiteren Sparanstrengungen den Willen zur Defizitdisziplin kundtun.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 3.3.2012
"Kampfansage" Rajoys
Spanien hat die EU-Kommission mit dem eigenmächtigen Vorgehen vor den Kopf gestoßen. Ohne die Partner zu informieren, hob die konservative Regierung das Defizitziel für 2012 um fast eineinhalb Prozentpunkte an. Die Rechtfertigung: Die Vorgängerregierung habe weit mehr Schulden hinterlassen als geplant. Den Rückstand in einem Jahr aufzuholen, würden zu viele Opfer von der Bevölkerung verlangen. Die spanischen Medien sprechen von einer Kampfansage an die Spar-Doktrin Angela Merkels, die linke Opposition akklamierte den Schachzug: endlich habe auch der Regierungschef erkannt, dass man die Konjunktur nicht totsparen dürfe.
Premierminister Rajoy selbstsicher: „Nicht im Entferntesten glaube ich, dass die Märkte uns dafür bestrafen werden. Sie konnten feststellen, dass wir entschlossen sind, das Defizit langfristig zu senken.“ Sanktionen der Kommission fürchtet der konservative Premier nach eigener Aussage nicht. Am Ziel 2012 das Defizit im Jahr 2013 bis auf drei Prozent gesenkt zu haben, hält Rajoy fest.
Unterschiedliche Konzepte
Rund 15 Mrd. Euro hat die seit Dezember amtierende Regierung bereits eingespart. Autonome Regionen und Gemeinden sind jetzt gefordert, ihren Beitrag zur gemeinsamen Anstrengung zu leisten.
Wie unterschiedliche die Rezepte dabei sind, zeigen zwei Beispiele. Madrids Bürgermeisterin Ana Botella – übrigens Ehefrau des früheren Premierministers Josémaria Aznar – rief Pensionisten auf, Hilfsdienste für die Gemeinde zu leisten. Dadurch könnten Lohnkosten zum Beispiel für das Personal in den öffentlichen Bibliotheken eingespart werden.
Eine andere Strategie wählt die katalanische Gemeinde Rasquera. Ihr Bürgermeister will durch neue Einnahmefelder Steuern lukrieren und damit den Gemeindehaushalt sanieren. Während Spaniens Arbeitslosenquote über die 23 Prozent-Marke klettert, bietet der Bürgermeister von Rasquera Arbeitswilligen einen Gemeindeposten in einer Cannabisplantage an.
Wohlstand mit Cannabis
Mit 40 neuen Arbeitsplätzen könnte die kleine Gemeinde erreichen, was landesweit als Utopie gilt: Vollbeschäftigung. Dass der Anbau von Marihuana dem Suchtmittelgesetz widerspricht, wird im Gemeindeamt heftig bestritten. Die Zucht der Pflanze zum privaten oder therapeutischen Konsum sei von Strafe ausgenommen. Ein Verein, dessen Mitglieder ganz privat Haschisch konsumieren, bot 50.000 Euro Pacht pro Jahr, um die Rauschpflanzen auf einem Gemeindeacker anzubauen. Neue Arbeitsplätze entstehen.
Bürgermeister Bernat Pellisa träumt von Wohlstand dank Cannabis – eine Firma habe angeboten, eine Cannabis-Samenzucht im Ort aufbauen und weitere Arbeiter einzustellen. „Samen für die Cannabispflanzen werden zurzeit nur im Ausland erzeugt und importiert. Eine Firma hat sich bei uns gemeldet, die eine Samenfabrik in Rasquera aufbauen möchte.“ Andere spanische Gemeinden interessieren sich bereits für das neue „Beschäftigungsmodell“.