Wirtschaft in Rezession getrieben

Madrid zweifelt an Sparkurs

Die neue spanische Regierung unter Premierminister Rajoy hat ein Sparpaket verabschiedet und den Arbeitsmarkt reformiert. Doch durch die Kürzungen bei öffentlichen Ausgaben und Löhnen droht Spanien inzwischen eine lang anhaltende Rezession. Deshalb überlegt die Regierung, den Sparkurs aufzuweichen.

Morgenjournal, 2.3.2012

Aus Madrid berichtet Josef Manola.

Defizit über Plan

Gebetsmühlenartig wiederholten die Minister der neuen Regierung, dass Spanien nicht vom Fahrplan für eine Sanierung des Staatshaushaltes abrücken werde. 4,4 Prozent Defizit im laufenden Jahr lautete das Mantra, das jetzt plötzlich nicht mehr gilt. Was war geschehen? Ein Kassasturz im Finanzministerium brachte ans Licht, wovon zuvor schon heftig gemunkelt worden war: Das Loch im Staatshaushalt des Vorjahres ist deutlich größer ausgefallen als geplant. Statt sechs Prozent, wie von der scheidenden sozialistischen Regierung angekündigt, liegt das Defizit tatsächlich bei 8,5 Prozent des BIP. Eine kostspielige Abweichung vom Planziel, die unmittelbare Konsequenzen für den laufenden Haushalt haben wird.

Proteste nehmen zu

15 Milliarden Euro hat die konservative Regierung unter Premier Mariano Rajoy bereits eingespart. Vor allem bei den öffentlichen Ausgaben wurde gekürzt. Die Beamten mussten deutlich Einbußen hinnehmen. Die Kürzungen bei den Investitionen für Schulen und Universitäten haben die Studenten mobilisiert. In Barcelona ist die Universität besetzt, in Valencia demonstrierten Schüler mehrere Tage lang.

"Prozess des Nachverhandelns"

Wenn Spaniens Regierung die Defizitmarke von 4,4 Prozent heuer erfüllen will, müsste sie weitere 25 bis 30 Milliarden Euro einsparen, lauten die Schätzungen. Ein Kraftakt, der angesichts der sozialen Spannungen im Land schwer vertretbar ist. Daher plädierte Minister de Guindos im Kreis der Euro-Finanzminister dafür, die starren Defizitziele für Spanien und die anderen hoch verschuldeten Länder noch einmal zu überdenken: "Wir befinden uns in einer Rezession, während alle Berechnungen für die Ziele des Stabilitätspaktes von Wachstum ausgingen. Diese Umstände sind für jeden in der EU nachzuvollziehen und deshalb muss jetzt auch ein Prozess des Nachverhandelns beginnen."

Aufgeheiztes Klima

Das für 2012 erwartete Szenario ist denkbar ungünstig für weitere Sparanstrengungen. Die Zahl der Beschäftigten sinkt, die Arbeitslosenquote könnte bald schon 23 Prozent überschreiten. Die Erhöhung der Lohnsteuer beginnt zu greifen, der Konsum schwächelt und die Wirtschaft Spaniens muss sich auf eine lange Rezession einstellen. Mit einer Arbeitsmarktreform hat die Regierung die hohen Abfertigungen im Fall von Entlassung zurückgenommen und sich prompt den Zorn der Gewerkschaften eingehandelt, die bereits mit einem Generalstreik drohen. In diesem aufgeheizten Klima muss die spanische Regierung jetzt entscheiden, ob sie der Bevölkerung noch weitere Opfer zumuten will, um den Euro-Stabilitätspakt zu erfüllen.