Neuer Roman von György Dalos

Tragik und Komik eng nebeneinander

In seinen Essays und Romanen setzt sich György Dalos mit seinem Heimatland Ungarn auseinander. International bekannt geworden ist der gebürtige Budapester über den deutschen Sprachraum. 1968 wurde er im Alter von 25 Jahren zu einer siebenmonatigen Haftstrafe verurteilt wegen "maoistischer Umtriebe", wie es hieß, jahrelang war er mit Publikationsverbot belegt.

Kulturjournal, 14.03.2012

György Dalos im Gespräch mit Kristina Pfoser

1977 gehörte Dalos zu den Gründern der demokratischen Oppositionsbewegung in Ungarn. Mitte der 1980er Jahre kam er mit einem Stipendium nach Berlin, wo er bis heute als freier Schriftsteller lebt. Jetzt hat er einen neuen Roman herausgebracht: "Der Fall des Ökonomen".

Mittagsjournal, 13.03.2012

Es ist ein Buch über Geld, Wohnen und Arbeit - so knapp fasst György Dalos seinen Roman zusammen. Erzählt wird die Geschichte des mittellosen Ökonomen Gabor Kolosz. Um finanziell über die Runden zu kommen, kassiert eer die monatliche Wiedergutmachungszahlung an seinen verstorbenen Vater, einen Holocaust-Überlebenden. Auf rund 400 Stellen hatte er sich beworben, als Lehrer oder Dolmetscher, als Nachtwächter, Portier oder Telefonist - alles vergeblich.

Sorge um Ungarn

Armut und Reichtum schauen für die Literatur eben gleichermaßen komisch aus, sagt Dalos. Bei aller Ironie, von der der Roman getragen ist: György Dalos hat Sorge um Ungarn, wie er sagt, weil Ungarn ein rohstoffarmes Land sei, das sehr investitionsbedürftig sei. "Die Geschichte seit 2010 führte dazu, dass Ungarn jetzt in Konflikt mit der EU und internationalen Geldinstituten geraten ist." Diesen Konflikt könne sich Ungarn nicht leisten, so Dalos.

Nachdem Anfang des Jahres in Ungarn die neue Verfassung inkraft getreten ist und die Unabhängigkeit von Medien, Justiz und Zentralbank stark eingeschränkt wurden, steht Ungarn im Kreuzfeuer der Kritik. Die Kritik darf allerdings nicht so weit gehen, dass sie jedes Gespräch unmöglich macht, mahnt Dalos. Wie könnte so ein nationaler Dialog aussehen? "Eine Art nationaler Versöhnung, eine Art Rückkehr zu den Prinzipien der Wende, zu den Prinzipien des Jahres 1989", meint Dalos, eines Prozesses, "in dem jede Meinung zählt und in dem Andersdenkende höchstens als Gegner und nicht als politische oder menschliche Feinde betrachtet werden".

Die soziale Realität sieht allerdings anders aus: Die ungarische Gesellschaft ist tief gespalten, sagt György Dalos und "jetzt erreichen wir einen Punkt, in dem nicht einmal die Spaltung das größte Problem ist, sondern die Tatsache, dass 57 Prozent der Menschen heute an keine Wahlurne gehen würde, wobei 82 Prozent der Meinung sind, dass die Richtung der Entwicklung Ungarns wenig ermunternd aussieht. In dieser Passivität sehe ich mehr Gefahr, als allein in der Stärkung der Rechtsradikalen oder dem zunehmend autoritären Führungsstil der Orban-Regierung."

Textfassung: Ruth Halle

Service

György Dalos, "Der Fall des Ökonomen", Rotbuch Verlag

Rotbuch - Der Fall des Ökonomen