"Automatisierter Abbau des Sozialstaats"
ATTAC verteufelt Fiskalpakt
Der Ministerrat in Wien wird am Dienstag dem EU-Fiskalpakt zustimmen. Mit Ausnahme von Großbritannien und Tschechien wollen die EU Länder ihre Entscheidungen in puncto Ausgaben, Abgaben und Steuern zumindest besser koordinieren. Die globalisierungskritische Organisation ATTAC kritisiert den Inhalt des Vertrages scharf.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 19.3.2012
"Epochale Wende"
Alles andere als leise Töne schlägt ATTAC Österreich an, wenn es um den geplanten Fiskalpakt geht. Die Regierungen der EU würden die furios gescheiterte Verarmungspolitik verschärfen. Als Beispiel nennt ATTAC die Lage in Griechenland. Wegen der strengen Auflagen für die Budgets - Stichwort Schuldenbremse - gebe es in Europa künftig einen Sparzwang. Die Folge seien geringere Löhne, Pensionen, Gesundheits- und Sozialleistungen, sagt Elisabeth Klatzer, Vorstandsmitglied von ATTAC Österreich, am Vormittag in Wien: "Wir werden uns warm anziehen müssen, denn es ist vorprogrammiert, dass sozialstaatliche Leistungen gekürzt werden." Man stehe vor einer "epochalen Wende, dass der Abbau des Sozialstaats automatisiert durchgeführt werden soll." Zusätzlich sei die Wirtschaft auf dem Weg in eine "prolongierte Rezession".
"Neoliberales Korsett"
Der Fiskalpakt sei ein Beleg dafür, dass die Politik der einzelnen EU-Länder in ein neoliberales Korsett gepresste werden sollen. Notwendig sei ein Fiskalpakt, sagt Klatzer, jedoch einer der dem Prinzip Solidarität folgt. Ein "echter Fiskalpakt" sollte an der Steuerpolitik ansetzen und die Unternehmenssteuern harmonisieren, um den Steuerwettbewerb nach unten zu beenden, so Klatzer. Außerdem fordert sie die Umsetzung der Finanztransaktionssteuer, gemeinsames Vorgehen gegen Steuerflucht und -hinterziehung. "Hier sind Milliarden zu holen", hebt die ATTAC-Vertreterin hervor. Klatzer spricht sich ebenso dafür aus, dass sich die Staaten künftig nicht mehr über die Finanzmärkte sondern die Europäische Zentralbank finanzieren sollen.
"Vorteil für die neoliberale Ideologen"
Neben der sozialen Komponente kritisiert die Organisation, dass die einzelnen Parlamente die Hoheit über die Budgets verlieren würden. Dies ist für Elisabeth Klatzer Demokratieabbau in Reinkultur und ein Anschlag auf die europäische Integration: "Denn der Vorteil für die neoliberalen Ideologen, die derzeit das Sagen haben in Europa, ist, dass für diesen Vertrag keinerlei Einbindung des europäischen Parlaments und keine breite Diskussion notwendig ist." Weil zentrale budget- und wirtschaftspolitische Entscheidungen an die EU Kommission abgegeben würden, sei der Fiskalpakt in der derzeitigen Form abzulehnen.
Der Nationalrat will in einem Monat das Abkommen beschließen. Mit dem Fiskalpakt muss der EU-Vertrag nicht geändert werden, er beruht auf zwischenstaatlichen Vereinbarungen.