Buch und Handlung
Die "Café Sonntag"-Glosse von Gunkl
Dass das Buch insgesamt abhanden kommt, glaube ich eigentlich eher nicht. Es haben ja in der Geschichte manchmal gewisse Medien andere Medien verdrängt, andere Medien haben das nicht gemacht.
8. April 2017, 21:58
Gunkl liest Gunkl
Das Theater wurde vom Kino nicht verdrängt. Das Kino wurde vom Fernsehen nicht verdrängt, das Fernsehen ist vom Internet auch nicht verdrängt worden. Sexkinos hingegen wurden vom Internet schon verdrängt.
Wie das jetzt mit Buchhandlungen ist, weiß man noch nicht. Ob da das Internet die Buchhandlungen verdrängen wird, weiß man nicht. Ist noch nicht klar, aber ich finde, es wäre schade.
Wenn es irgendwann einmal nicht mehr diese wunderbaren Einrichtungen gibt, wo man hingeht und jemanden fragen kann, was es zum Beispiel für Material zur Musikgeschichte gibt und diese Person, die ich das frage, kann dann mit einem Blick abschätzen, ob ich etwas mit Bildern will von schönen alten Musikinstrumenten, oder ob ich etwas will, was als Doktorarbeit gelten kann, weil da einfach die Geschichte der Funktionsharmonik durch die Dekaden beleuchtet wird. Dieser Mensch schaut mich an und sagt, ich weiß, was sie wollen, geht irgendwohin, weiß auch, wo das steht und gibt mir das dann.
Und wenn es das irgendwann einmal nicht mehr geben sollte, das wäre schade. Vor allem wäre das deswegen schade, weil - das wäre dann etwas, das dann Buchhandlungen mit Sexkinos gemeinsam haben, nämlich vom Internet verdrängt worden zu sein, und der Grad der Erbauung und die Richtung der Erbauung, die in diesen Einrichtungen stattfindet, ist ja dann doch schon sehr verschieden - also es wäre schade, wenn Buchhandlung und Sexkinos sich in diesem Punkt treffen. Wär einfach schade.
Die andere Handlung, um die es da geht, ist ja die Handlung, die in einem Buch - zumal belletristischer Natur - beschrieben wird. Da gibt es ja auch ein paar ganz interessante Aspekte, von denen ich natürlich auch nicht alle beleuchten kann, aber ein bissl was kann man ja sagen dazu.
Die Handlung in einem Buch oder in einem Film, aber wir nehmen jetzt einmal Bücher, hat ja eine ganz, ganz große Hürde zu überwinden, nämlich, man muss diese Handlung glauben können. Und das ist ein Problem, das die Wirklichkeit nicht hat. Die Wirklichkeit ist, wie sie ist, und das, was man wissen kann, weil's ist, weil man es sieht, das muss man ja dann nicht mehr glauben können.
Da passieren in Wirklichkeit die unglaublichsten Dinge, wo man sagen kann, wenn man sich das einmal aus der Distanz heraus anschaut, ja, also in einem Film oder in einem Buch, in einem Roman traust du dich das nicht, das geht nicht. In der Wirklichkeit geht das, weil's halt ist. Und also es wäre jetzt falsch, wenn man ein Buch schreibt, wo eine Handlung sich entwirft und in dieser Handlung Dinge vorkommen, die man von der Wirklichkeit abschreibt weil das in Wirklichkeit halt echt so passiert ist. Das ist kein Kriterium. Wenn ich ein Buch in die Hand nehme, muss ich das einfach glauben können, was da drin steht. Wenn ich das nicht glauben kann, obwohl es wirklich so passiert ist, dann hat der Autor meiner Ansicht nach etwas falsch gemacht. Da hat er etwas falsch verstanden beim Konstruieren von Scheinwirklichkeiten. Also der Roman als Behauptung muss glaubwürdiger sein als die Wirklichkeit.
Was kann man noch sagen zur Handlung: es gibt, glaube ich, gar nicht so viele Geschichten. Es gibt fünf, sieben, vielleicht gibt’s zwölf verschiedene Geschichten, also so einen Topos, ein Muster, nachdem das abläuft mit wechselndem Personal, aber an Grundstruktur der Geschichten gibt es nicht so viele. Grundsätzlich, was passiert, ist, eine eher scheinbare Ordnung wird zerstört und an ihre Stelle wird eine andere Ordnung gesetzt und wie scheinbar oder valide die andere Ordnung jetzt ist, ist dann eine Frage von Teil II
Der Held agiert in Übereinkünften und Regeln, bis er diese Übereinkünfte und Regeln für ein höheres Ziel und aus einem guten Grund bricht. Wer ohne höheres Ziel und guten Grund bricht ist je nach Schwere der Resultate einfach dann ein Idiot oder halt schlecht erzogen.
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