Die Autorin auf Besuch in Wien

Olga Tokarczuk lässt die Fledermäuse singen

Olga Tokarczuk ist die wohl erfolgreichste polnische Autorin der Gegenwart. Bereits ihr erster Roman "Die Reise der Buchmenschen" wurde 1993 als bestes Prosadebüt ausgezeichnet. Seit damals hat die 50-jährige studierte Psychologin mehr als zehn weitere Bücher herausgebracht, zuletzt ihren ersten Krimi: "Der Gesang der Fledermäuse".

Dass Olga Tokarczuk auch im deutschen Sprachraum eine fixe literarische Größe ist, wird in ihrer Heimat mitunter kritisch gesehen. Gestern Abend war Olga Tokarczuk zu Gast im Wiener Buchkontor.

"Moralischer Krimi", dieses Etikett hat der Verlag dem neuen Roman von Olga Tokarczuk verpasst und der Autorin gefällt das: "Es ist sicher kein einfacher Krimi, wo es nur darum geht, wer wen ermordet hat. Es soll ein beunruhigendes Buch sein, ein Text, der keine Antworten gibt, sondern Fragen aufwirft. Schwierige Fragen und das sind gerade auch moralische Fragen." Fragen etwa wie: Ist das Töten eines Tieres Mord?

"Für meine Protagonistin ist es auf jeden Fall Mord und - um ehrlich zu sein für mich auch", sagt Olga Tokarczuk. Die Protagonistin, das ist eine militante Tierschützerin, die abgeschieden in einem niederschlesischen Dorf lebt, eine schrullig-esoterische Aussteigerin, die die Sterne befragt und von den Menschen nicht viel hält. Ihre besonderen Feinde sind die Jäger und Wilderer, aber bald sind es nicht nur tote Tiere, die zu beklagen sind - eine ganze Reihe von Menschen kommt auf rätselhafte Weise ums Leben. Bis der Fall geklärt ist, führt Olga Tokarczuk das Publikum in ein seltsames Setting zwischen Mystischem, Realem und Phantastischem.

Die polnische Filmregisseurin Agnieszka Holland, die heuer mit ihrem Film "In Darkness" für den Oscar nominiert war, hat sich für den Stoff begeistert. Sie will ihn verfilmen, die Dreharbeiten dieser polnisch-deutschen Co-Produktion beginnen im nächsten Jahr, erzählt Olga Tokarczuk stolz.

Im deutschen Sprachraum ist Olga Tokarczuk sehr populär, für Jaroslaw Kaczynski von der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit offenbar zu populär. In seinem Buch über "Das Polen unserer Träume" kritisierte er vor kurzem Olga Tokarczuk und ihren Kollegen Andrzej Stasiuk, die - wie er meinte - zu "Geiseln ihres ökonomischen Erfolgs in Deutschland" geworden seien, ihre Bücher seien gezielt für den deutschen Markt geschrieben und gewissermaßen unpatriotisch. "Dieser Vorwurf hat viel Aufsehen erregt und mir eine große Aufmerksamkeit beschert. Dabei werden meine Bücher in viele Sprachen übersetzt und sie sind auch in Polen Bestseller. Bei uns herrscht nach wie vor eine ziemlich anachronistische Vorstellung von Patriotismus. Es ist ein Patriotismus, der aus der Katastrophe entsteht", so Tokarczuk.

"Der Mythos braucht Opfer, er lebt vom Blut" hat Olga Tokarczuk nach dem Absturz der Regierungsmaschine anno 2010 in der Süddeutschen Zeitung geschrieben und weiter hieß es da: Wir leben in einer erzwungenen Gemeinschaft". Heute sagt sie dazu: "Es ist eine abgeschlossene fremdenfeindliche Gemeinschaft, die sich selbst als homogen, katholisch und national bezeichnet. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass es in Polen so gut wie keine starke linksorientierte Partei gibt. Die gesamte Szene ist nach rechts verschoben. Auf der anderen Seite kann man aber deutlich ein Stärker-Werden der Zivilgesellschaft beobachten - für mich ist das wie ein Wunder, nach 50 Jahren Kommunismus"

Olga Tokarczuks jüngster Roman "Der Gesang der Fledermäuse" ist in der Übersetzung von Doreen Daume im Schöffling Verlag erschienen.