"Ist er der Richtige?"
Ein Jahr ÖVP-Chef Spindelegger
Fast ein Jahr ist es her, dass Michael Spindelegger gleichsam über Nacht zum Parteiobmann der Volkspartei aufstieg. Die Umstände, die dazu führten: Josef Pröll zog sich aus gesundheitlichen Gründen zurück, am 14. April kürte der ÖVP-Vorstand den Niederösterreicher einstimmig zum nächsten Obmann. Von Beginn an begleitet ihn die unausgesprochene Frage: Ist er der Richtige?
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 4.4.2012
Klaus Webhofer über das schwierige erste Jahr des Michael Spindelegger.
Seufzer über ÖVP-Zustand
Zum Zeitpunkt der Bestellung Spindeleggers war die Affäre um Ernst Strasser gerade publik geworden. Die Krisen sind in der Zwischenzeit nicht weniger geworden. Auch aktuell setzen der Partei Korruptionsvorwürfe wieder zu, die Spindelegger zu bewältigen hat. Im kleinen Kreis entfährt Michael Spindelegger schon mal ein Seufzer, wenn die Rede auf den aktuellen ÖVP-Zustand und seine aktuelle Mission als Aufräumer kommt. Er kam in einer Krise und diese Krise hat sich seitdem noch verschärft.
Kampf um Vertrauen
Michael Spindelegger erklärte nach seiner Nominierung durch den Parteivorstand am 14.April des Vorjahres, der Auftrag bedeute für ihn vor allem, das Vertrauen für die ÖVP wieder zu gewinnen. Es seien viele bitter enttäuscht über die Vorfälle. Damals war "nur" die Lobbyistenaffäre um Ernst Strasser in aller Munde. Es sollte dicker kommen. Dass sich der SPÖ-Kanzler zudem mehr über den neuen ÖVP-Obmann Michael Spindelegger freute als manche in Spindeleggers eigener Partei, fiel auf. Und untermauerte die These, dass Werner Faymann glaubte und glaubt, Spindelegger sei das Beste, was ihm passieren konnte.
Gemischte Personalbilanz
Spindelegger hat das Image eines fleißigen Arbeiters, eher blass und ohne Ecken und Kanten. Man sagt auch, ein Mann von Erwin Prölls Gnaden. Manche in der Partei glauben, dass Maria Fekter oder Reinhold Mitterlehner die bessere Wahl gewesen wären. Offen sagen würde das natürlich niemand. Apropos Personal: Da bewies Spindelegger mit der Kür von Sebastian Kurz zum Integrationsstaatssekretär ein glückliches Händchen. Er ist inzwischen der mit Abstand beliebteste ÖVP-Politiker. Auf der anderen Seite ersetzte Spindelegger die unglücklich agieren Justizministerin Bandion-Ortner durch die ebenfalls unglücklich agierende Beatrix Karl. Und dass die Finanzministerin eine Freundin der klaren Sprache ist, aber auch Fettnäpfchen selten auslässt, hat sich gerade wieder gezeigt.
"Härteste Wochen"
Das Sparpaket war inhaltlich Spindeleggers größte Herausforderung im ersten Jahr als Vize in der Regierung. "Bei Steuern und neuen Steuern, da rieselt es mir immer kalt über den Rücken, weil das die unmittelbare Belastung für den Bürger ist", so Spindelegger damals. Doch vom ursprünglichen Vorsatz ein Sparpaket ohne Steuererhöhungen zu machen, musste er schließlich abgehen. Zu den Sparpaketverhandlungen sagte er später: "Die letzten zehn Wochen waren die härtesten in meinem Leben."
Es kann nur besser werden - wieder einmal
Innerparteilich brachte er Sparpaket ohne große Widerstände durch. Das Problem war nur: Darüber redet niemand mehr. Korruptionsvorwürfe und Personalia überlagern alles. Mit Start des Untersuchungsausschusses kam die Partei rasch durch Telekomzahlungen an Werner Amon und Karin Hakl in die Defensive. Über Jagdeinladungen wird geredet, auch Rücktritte gab es. Spindelegger, der selbst als absolut integer gilt, versuchte es mit einem Befreiungsschlag namens "Verhaltenskodex" und indem "der Anstand wieder in den Vordergrund gekehrt wird". Und mit diesem "Aufräumen" ist Spindelegger wohl noch ein Weilchen beschäftigt. Die Umfragen im Keller, kann es für ihn und seine Partei nur noch besser werden. Allerdings dachte man das vor einem Jahr auch schon.