Muslimbrüder-Kandidat für Scharia in Ägypten
Ägypten auf dem Weg zum Gottesstaat?
Der Präsidentschaftskandidat der Muslimbrüder, Khairat al-Shater, will die islamische Rechtsprechung, die Scharia, in Ägypten einführen. Das sei sein Ziel, sollte er die für Mai und Juni vorgesehen Wahlen gewinnen. Wenn man aber genauer hinsieht, gibt es weit radikalere Ansätze in Ägypten, beruhigt Karim el-Gawhary.
27. April 2017, 15:40
Mittagsjournal, 5.4.2012
Nahost-Korrespondent Karim el-Gawhary im Gespräch mit Wolfgang Wittmann
Salafisten sind noch extremer
Was die Ankündigung al-Shaters inhaltlich heißt, ist noch offen. Die Muslimbrüderschaft hat gesagt, sie gehe entlang des Artikels zwei der ägyptischen Verfassung, die schon seit 30 Jahren existiert. In diesem Artikel steht, dass die Prinzipien der Scharia - nicht die Scharia selbst - die Grundlage für die ägyptische Gesetzgebung sind. Und so wie die Muslimbrüder sagen, werden sie auf diesen Artikel weiter bestehen, ihn aber nicht verändern. Es gibt noch radikalere Strömungen wie die Salafisten, die den Artikel verändern wollen und die Scharia selbst als einzige Grundlage der ägyptischen Gesetzgebung festlegen. Davon sind die Muslimbrüder noch meilenweit entfernt.
Gegengewicht zu Salafisten
Dass die Muslimbrüder ihre Taktik geändert haben und nun doch entgegen ersten Ankündigungen einen Präsidentschaftskandidaten stellen, ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Das eine ist das gesteigerte Selbstbewusstsein nach den Erfolgen bei der Parlamentswahl. Es hat aber auch mit der Konkurrenz zu tun ,vor allem mit einem anderen Kandidaten der radikalen Salafisten, Abu Ismail, der in den letzten Tagen sehr stark aufgetreten ist und dem die Muslimbrüder etwas entgegensetzen wollten.
Aufgesplittertes Wählerpotenzial
Nun herrscht die Sorge, dass die Muslimbrüder zu viel Macht bündeln könnten, ähnlich wie früher die Regierungspartei Mubaraks. Aber ganz so klar ist der Sieg des Muslimbrüder-Kandidaten nicht. Das islamische Wählerpotential wird sich aufsplittern. Außerdem hat al-Shater als Millionär und Geschäftsmann kein besonders gutes Image, was die besonders wichtige soziale Frage betrifft.
Weitere Ankündigungen
Es war die erste bekanntgewordene Stellungnahme Shaters, seit er von den einflussreichen Muslimbrüdern überraschend als Präsidentschaftskandidat aufgestellt wurde. Darin versprach er auch, das Innenministerium zu reformieren, das eine führende Rolle bei der Unterdrückung der Opposition gegen den früheren Präsidenten Hosni Mubarak gespielt hatte. Shater versicherte, dass er mit dem derzeit regierenden Militärrat keinen Deal bezüglich seiner Kandidatur ausgehandelt habe. Der 61-jährige Millionär und Geschäftsmann Shater gehört der "Religiösen Vereinigung für Rechte und Reformen" an, die eine strenge Auslegung des Islam vertritt. Der Präsidentschaftskandidat versicherte Dienstag Abend, dass er sich für die Bildung eines Gremiums einsetzen werde, dass dem Parlament helfen solle, die Einführung der Scharia zu erreichen.
Andere Kandidaten
Neben Shater wollen noch mindestens drei islamistische Kandidaten antreten. Die chancenreichsten sind Hazem Salah Abu Ismail und Abdel Moneim Abol Fotoh. Der als einflussreich geltende Rechtsanwalt und Salafist Abu Ismail hat für den Fall seines Wahlsiegs angekündigt, alle Frauen in Ägypten zum Tragen des Schleiers zu zwingen. Er würde auch Touristen den Genuss von Alkohol in der Öffentlichkeit verbieten.