Muslimbrüder-Kandidat für Scharia in Ägypten

Ägypten auf dem Weg zum Gottesstaat?

Der Präsidentschaftskandidat der Muslimbrüder, Khairat al-Shater, will die islamische Rechtsprechung, die Scharia, in Ägypten einführen. Das sei sein Ziel, sollte er die für Mai und Juni vorgesehen Wahlen gewinnen. Wenn man aber genauer hinsieht, gibt es weit radikalere Ansätze in Ägypten, beruhigt Karim el-Gawhary.

Mittagsjournal, 5.4.2012

Nahost-Korrespondent Karim el-Gawhary im Gespräch mit Wolfgang Wittmann

Salafisten sind noch extremer

Was die Ankündigung al-Shaters inhaltlich heißt, ist noch offen. Die Muslimbrüderschaft hat gesagt, sie gehe entlang des Artikels zwei der ägyptischen Verfassung, die schon seit 30 Jahren existiert. In diesem Artikel steht, dass die Prinzipien der Scharia - nicht die Scharia selbst - die Grundlage für die ägyptische Gesetzgebung sind. Und so wie die Muslimbrüder sagen, werden sie auf diesen Artikel weiter bestehen, ihn aber nicht verändern. Es gibt noch radikalere Strömungen wie die Salafisten, die den Artikel verändern wollen und die Scharia selbst als einzige Grundlage der ägyptischen Gesetzgebung festlegen. Davon sind die Muslimbrüder noch meilenweit entfernt.

Gegengewicht zu Salafisten

Dass die Muslimbrüder ihre Taktik geändert haben und nun doch entgegen ersten Ankündigungen einen Präsidentschaftskandidaten stellen, ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Das eine ist das gesteigerte Selbstbewusstsein nach den Erfolgen bei der Parlamentswahl. Es hat aber auch mit der Konkurrenz zu tun ,vor allem mit einem anderen Kandidaten der radikalen Salafisten, Abu Ismail, der in den letzten Tagen sehr stark aufgetreten ist und dem die Muslimbrüder etwas entgegensetzen wollten.

Aufgesplittertes Wählerpotenzial

Nun herrscht die Sorge, dass die Muslimbrüder zu viel Macht bündeln könnten, ähnlich wie früher die Regierungspartei Mubaraks. Aber ganz so klar ist der Sieg des Muslimbrüder-Kandidaten nicht. Das islamische Wählerpotential wird sich aufsplittern. Außerdem hat al-Shater als Millionär und Geschäftsmann kein besonders gutes Image, was die besonders wichtige soziale Frage betrifft.