Rechtspopulist stürzt über Betrugsvorwürfe

Bossi-Rücktritt: Lega Nord vor dem Aus

Nach einer Krisensitzung in Mailand gab die Lega Nord den Rückzug ihres Gründers Umberto Bossi bekannt. Der Grund sind Betrugsermittlungen. Der sprücheklopfende Hardliner Bossi hatte die vergangenen zwei Jahrzehnte in Italien stark mitgeprägt. Doch jetzt geht es für die Lega Nord nicht mehr um die Frage Regierung oder Opposition, sondern um das Überleben.

Morgenjournal, 6.4.2012

Mathilde Schwabeneder berichtet aus Rom.

Selbst "den Strick gedreht"

Vielen politischen Beobachtern ist eine Szene in Erinnerung geblieben: Abgeordnete der Lega-Nord zogen im Parlament einen Galgenstrick heraus, um so zu verdeutlichen, welches Ende sie korrupten Politikern wünschen. Jetzt ist es Lega-Gründer Umberto Bossi selbst, der über einen Korruptionsskandal stolpert. Seine Sprüche über das diebische Rom, von dem man sich unabhängig machen wollte, sind Vergangenheit.

Bossis Familie im Zentrum

Nach 23 Jahren tritt der in grauen Vorzeiten links engagierte Studienabbrecher, der sich später in vielen Berufen versucht hatte, als Parteichef zurück. Der Grund: Seit Wochen ermitteln drei Staatsanwaltschaften gegen seine Partei. Die erhobenen Vorwürfe verdichteten sich dabei immer mehr. Geldwäsche, Betrug und illegale Parteienfinanzierung stehen im Raum. Bereits am Mittwoch trat daher Lega-Schatzmeister Francesco Belsito zurück. Doch laut Telefonkontrollen und aufgetauchten Unterlagen steht Bossis eigene Familie im
Mittelpunkt des Korruptionssumpfes. Vor allem Sohn Renzo soll Parteigelder für sich verwendet haben. Ihm könnte jetzt eine Gefängnisstrafe drohen.

Eine Ära endet

Für Bossis Anhänger, die sich vor dem Parteisitz in Mailand versammelt hatten, geht eine Ära zu Ende: "Ohne Bossi gibt es keine Lega",
sagt eine Frau. Und ein Mann: "Für mich ist alles aus. Morgen gebe ich mein Parteibuch zurück." Nur wenige halten als erste Reaktion ein Überleben der Partei für möglich: "Die Lega wird weiterbestehen. Das hier ist aber ein sehr harter Schlag."

Aus für Achse Berlisconi-Bossi

Bossis Rücktritt zeigt auch die inneren Brüche der Partei auf. Alte Unstimmigkeiten mit dem früheren Innenminister Roberto Maroni kochen hoch. Bossi-Anhänger vor der Parteizentrale beschimpfen ihn als Verräter, Judas und Hanswurst. Trotzdem wird Maroni als Teil eines Triumvirats vorerst einmal die Parteispitze einnehmen.

Der Schaden für die Lega ist jedenfalls enorm. Und die Aussichten für die Kommunalwahlen Anfang Mai sind daher denkbar schlecht. Das politische Spektrum Italiens hat sich mit dem Rücktritt Umberto Bossis definitiv verändert. Die Mitte-Rechts-Achse Berlusconi-Bossi, die fast zwanzig Jahre Italien dominiert hat, ist damit zu Ende.