Stoff der Heimat

8. April 2017, 21:58

Rührselige Heimatverbundenheit, Blut und Boden-Mentalität oder Volksmusikkitsch. Zum Thema Trachten sind auch heute noch viele Klischees im Umlauf, oder Vorurteile, denen der Film "Stoff der Heimat" von Othmar Schmiderer genauer auf den Grund geht und dabei die Vielfalt des heutigen Trachtenwesens aufzeigt: Othmar Schmiderer: "Ich versuche, diesen Phänomenen gerecht zu werden und möchte einen Diskurs ermöglichen, um zu sehen, was genau wo hingehört in der Trachtenkultur."

Die "Schwuplattler"

Freilich, Trachtenumzüge, Goldhaubenveranstaltungen oder der Jägerball in der Hofburg, die Tradition lebt nach wie vor, doch Othmar Schmiderer hat auch zahlreiche Beispiele gefunden, in denen das Trachtenwesen in neuen gesellschaftlichen Kontexten auch neue Bedeutungen erlangt hat.

Da kombinieren junge Frauen mit Migrationshintergrund das Dirndl mit einem Kopftuch, finden sich auf Wiener Szeneveranstaltungen auch Steireranzug und Trachtenbluse. In Bayern schließlich finden sich bekennende Schwule, die sogenannten "Schwuplattler" die dem Schuhplatteln selbstverständlich in angemessener Kleidung nachgehen.

Politische Instrumentalisierung

Die Frage der Identität steht immer wieder im Zentrum von Schmiderers Phänomenologie der Tracht, auch im Kontext der Politik, eine Spezialität von Landeshauptmännern, ob Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich oder Südtirol.

"Man muss sich schon die Frage stellen, welche Beeinflussung die politische Instrumentalisierung des Trachtenwesens auch in einem regionalen Umfeld hat", meint Othmar Schmiderer.

Unfreiwillige Ironie

Dennoch dass die Tracht nach wie vor auf einen einschlägigen rechtsideologischen Bodensatz verweist, gegen diesen auch hier bestätigten Befund kämpft die Trachtenherstellerin Gexi Tostmann vehement: "Das ist fast schon meine Lebensaufgabe!"

"Stoff der Heimat", der Film spiegelt durchaus die Ambivalenz seines Titels wider. Schmiderer widersteht auch der Versuchung einer Ironisierung. Die gibt´s unfreiwillig, etwa die Gailtalter Tracht, die in ihrem komplizierten Ankleideritual und ihrer Steifheit mehr einer Ritterrüstung gleicht als einem Dirndl.

Textfassung: Walter Gerischer-Landrock