Im unschuldigen Licht der Narren
Karl Ferdinand Kratzl und die Kunst
"Die schönste Kunstdefinition habe ich in einem Bücherl mit dem Titel 'Blume ist Kind von Wiese' gefunden, wo ausländische Kinder radebrechend Begriffe erklären, und bei Kunst steht: 'Kunst ist nicht echt.', erzählt Karl Ferdinand Kratzl.
27. April 2017, 15:40
Dass Kunst nicht echt, sondern eben künstlich ist, heißt noch lange nicht, dass sie lebensfremd sein muss. Im Gegenteil: Sie kann geradezu lebendig machen, meint der Künstler Karl Ferdinand Kratzl: "Für mich ist sie etwas, was über den Alltag hinaus geht oder was unter dem Alltag drunter ist, das mich anregt, das mich befruchtet, manchmal auch ekelt, oder ich verstehe es nicht. Aber es lässt mich nicht los, es prickelt, es macht mit mir was Lebendiges."
Karl Ferdinand Kratzl, Maler und Autor
"Kunst macht mit mir was Lebendiges."
Eine Maus wie Pudding
Es muss kein Gedicht sein, das wohlgefeilte Gedanken zum Ausdruck bringt, und es muss auch kein vollkommenes Bild sein, das in einem Museum prangt - schon ein schöner Satz, den er unvermutet aufschnappt, oder ein Farbfleck, der ihm irgendwo ins Auge sticht, können Karl Ferdinand Kratzl entzücken. Der Moment, da ein scheinbar gewöhnlicher Anblick überraschend das Besondere offenbart, ist für ihn Kunst.
"Mir geht's ums Eingemachte, wo ich mich wiederfinde. Ich habe einmal am Strand von Venedig eine Maus gefunden, das war die größte Freude, dass ich so eine grausliche Gummimaus finde, die innen schwabbelig ist und rote Augen hat. Ich tät sagen, das ist Kunst! Ich habe sie am Auffindungsort fotografiert, das ist ein irres Bild. Dieses Vieh ist weich wie ein Marshmallow, und wenn man fest draufdrückt, entstehen Kaugummiblasen aus ihr heraus. Sie kann eigentlich nichts als herumsitzen, und wenn man sie ein bisschen anstößt, dann wackelt sie wie ein Pudding."
"Ich bin kein Kabarettist"
In welcher imaginären Metamorphose sich Karl Ferdinand Kratzl in der Maus wiederfindet, bleibt sein Geheimnis. Tatsache ist, dass er es ernst meint, wenn er sagt, es gehe ihm bei dem Anblick des schwabbeligen Strandgutes um die Widerspiegelung tiefer innerer Seelenzustände. Diese Ernsthaftigkeit ist letztlich auch der Grund, warum Kratzl kein Kabarettist mehr sein will, obwohl ihn sein Publikum noch immer für einen hält:
"Der Kabarettismus hat mich nie gereizt, weil die Vorbilder so riesig waren - die alten Qualtinger-Platten zu Hause, oder meine Erlebnisse mit Ernst Waldbrunn - als Kundschaft, als Schauender –, die sind für mich unerreichbar. Aber ich hatte gleich mit meinem ersten Programm einen Riesenerfolg, dabei wollte ich nur einen Rachetheaterabend machen, gegen alles Langweilige und gegen das Kabarett als Schihüttenabend. Kollege Dorfer hat behauptet, das sei eine Masche, wenn ich sage, ich bin kein Kabarettist, aber ich bin's noch immer nicht."
Horror und Fröhlichkeit vereint
Der Kabarettist genießt, so Kratzl, der sich abseits der Kabarettbühne längst als Schauspieler, Buch- und Theaterautor einen Namen gemacht hat, eine Art Narrenfreiheit. Im Grunde wird er aber nicht ernst genommen. Man kommt "ins unschuldige Licht des Narren, aber gleichzeitig wird einem der Wind aus den Segeln genommen", meint Karl Ferdinand Kratzl. Und: Der Kabarettist kann nichts bewegen und er kann auch kaum jemanden nachhaltig beeindrucken.
Mehr und mehr versucht Kratzl sich daher auf andere Weise auszudrücken: Er malt. In seiner Wohnung liegen meterhohe Stapel mit beidseitig bemalten Blättern, wohl eine Horror-Vorstellung für jeden Galeristen. Darauf finden sich Szenen von Kindesweglegungen- und Torturen - als Anspielung auf ein Kapitel seiner eigenen Kindheit -, daneben finden sich Motive voller Witz und Fröhlichkeit. Es gibt Tage, da sei er besessen vom Malen, dann müsse er ganz ungestört von äußeren Einflüssen sein, erzählt Kratzl. Oft ist ein Entstehungsprozess zufällig, doch auch auf ungeplantem Weg gelangt ein Maler zu einem der großen Themen der Kunst: zur Darstellung von Liebe.
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kabarett.at - Karl Ferdinand Kratzl