Ruf nach Beschränkungen

Frühgeburten: Künstliche Befruchtung mitschuld

In Österreich gibt es so viele Frühgeburten wie in Entwicklungsländern. In Industriestaaten haben die "Frühchen" dank modernster Medizin gute Chancen auf ein gesundes Aufwachsen, weltweit überlebt mehr als eine Million Frühgeborene nicht. Allerdings trägt die moderne Medizin auch zur hohen Rate an Frühgeburten bei.

Mittagsjournal, 4.5.2012

Überlebenschancen in Industriestaaten besser

Weltweit betrachtet kommen pro Jahr 15 Millionen Kinder zu früh zur Welt. Das zeigt der aktuelle Bericht "Born too soon", zusammengestellt von 40 UNO-Einrichtungen und veröffentlicht von der Weltgesundheitsorganisation WHO. Die zeitliche Grenze, bis zu der ein Neugeborenes als Frühchen gilt, ist die vollendete 37. Schwangerschaftswoche.

Das erstaunliche daran: Österreich liegt bei Frühgeburten quasi gleichauf mit Entwicklungsstaaten: 10,9 Frühchen pro 100 Geburten. Die Überlebenschancen für die Säuglinge sind jedoch nicht vergleichbar. Auch die Ursachen für Frühgeburten könnten in Industriestaaten wie Österreich im Regelfall nicht unterschiedlicher zu jenen in ärmeren Staaten sein.

Künstliche Befruchtung ist Ursache

In Entwicklungsländern werden Frühgeburten mit der schlechten medizinischen Versorgung während der Schwangerschaft erklärt. In reichen Staaten führe man die hohe Rate an Frühgeburten unter anderem auf künstliche Befruchtungen zurück, meint Klaus Vavrik, Kinderarzt und Präsident der "Liga für Kindergesundheit", einem Dachverband aus Berufsverbänden und Fachgesellschaften: "In Österreich ist die hohe Rate an Frühgeburten unter anderem darauf zurück zu führen, dass die moderne Fortpflanzungsmedizin kein Limit hat, wie viele befruchtete Eier eingesetzt werden dürfen. Daraus entsteht eine hohe Zahl an Mehrlingsschwangerschaften, die wiederum zu einer hohen Zahl an Frühgeburten führt."

Während in Österreich die Zahl der Eizellen, die bei der künstlichen Befruchtung gleichzeitig eingesetzt werden, also nicht begrenzt ist, sei das in Schweden beispielsweise schon der Fall, so Klaus Vavrik. Schweden hat auch eine deutlich niedrigere Rate an Frühgeburten, zeigt die WHO-Studie.

Rauchen fördert Frühgeburten

Der österreichische Kinderfacharzt fordert daher im Namen der Kindergesundheit-Liga, dass die Zahl der implantierten Eizellen gesetzlich beschränkt wird. Eine weitere Forderung lautet, dass Kinder, die durch künstliche Befruchtung gezeugt und zu früh geboren worden sind, im Laufe ihrer Entwicklung nachuntersucht werden und dass diese Untersuchungen dokumentiert werden.

Abgesehen von künstlicher Befruchtung als eine Ursache von vielen Frühgeburten in Industriestaaten nennt die internationale Studie auch den Trend, dass Frauen in höherem Alter schwanger werden. Ein weiterer Grund sind Wohlstandserscheinungen wie Rauchen und Bluthochdruck.