Neue Impfungen, Ernährungsberatung

Stöger präsentiert "Kindergesundheitsstrategie"

Österreichs Kinder sollen künftig gesünder leben und stärker ins Zentrum der Gesundheitspolitik rücken. Dazu gehören mehr Impfungen, die Förderung richtiger Essgewohnheiten und mehr Sicherheit bei Medikamenten. Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) hat nun seine "Kindergesundheitsstrategie" vorgestellt.

Mittagsjournal, 29.09.2011

Analyse durch Experten

Vor zwei Jahren hat der erste Kindergesundheitsbericht der OECD Österreich ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Auf der OECD-Rangliste lag Österreich nur auf Platz 27 von 30. Laut dem Bericht entfallen auf Kinder und Jugendliche nur 7 Prozent der Gesundheitsausgaben, obwohl sie 19 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Gesundheitsminister Stöger hat im Vorjahr 180 Expertinnen und Experten wurden aufgerufen, die Lage zu analysieren und Vorschläge zu machen. Jetzt liegen erste Ergebnisse vor.

Breitgefächertes Paket

Minister Stöger leitet daraus ein umfangreiches Programm ab: Mehr Bewegung, gesündere Ernährung, optimierte Gesundheitsvorsorge, Erweiterung des Impfplans, Senkung von Kaiserschnittrate und Frühgeburten, Medikamentensicherheit, Überarbeitung des Mutter-Kind-Passes. Allein für Impfungen wurden vier Millionen Euro jährlich locker gemacht, erste Maßnahmen des breitgefächerten Pakets sollen bereits 2012 umgesetzt werden.

Umstellung von Schulbuffets

Besorgt zeigt sich Stöger über Bewegungsmangel und falsche Ernährung bei Kindern. Laut einer WHO-Studie sind 15 Prozent der heimischen Kinder zu dick - was einer Zunahme um 50 Prozent seit 1990 entspricht. Zur Förderung von richtigen Essgewohnheiten wurden von Bund, Ländern und Sozialversicherung zehn Millionen Euro für die kommenden drei Jahre freigemacht. Konkret heißt das, dass bereits ab 1. Jänner 2012 mobile Berater Schulbuffetbetreiber in ganz Österreich in der Umstellung ihres Angebots unterstützten oder auch Ernährungsberatung für Schwangere, ebenfalls bundesweit, offeriert werden.

Neue Gratisimpfungen

Vier Millionen Euro will Stöger in die Erweiterung des Impfplans investieren, um künftig den Schutz gegen Pneumokokken und Meningokokken gratis anbieten zu können. Für die Familien bedeutet dies, dass bereits ab 1. Jänner 2012 für diese beiden Impfungen keine zusätzlichen Kosten mehr anfallen. Auch der 1974 eingeführte Mutter-Kind-Pass soll überarbeitet werden. "Es ist jetzt an der Zeit, ihn an die neuen Gegebenheiten anzupassen", sagte Stöger und kündigte an, bis zum kommenden Jahr diesbezüglich Vorschläge auf den Tisch zu legen. Kein Thema sind für ihn Impfungen gegen die Human Papilloma Viren (HPV), die Gebärmutterhalskrebs auslösen. Die Einzelkosten von rund 600 Euro bezeichnete Stöger als "reine Abzocke".

Zu viele Kaiserschnitte

Der Gesundheitsminister wagt sich auch an das heikle Thema Kaiserschnitt heran: "Die Rate ist in Österreich viel, viel zu hoch." Kinder aus Kaiserschnittgeburten hätten "potenziell gesundheitliche Nachteile gegenüber jenen, bei denen optimale Voraussetzungen gegeben sind". Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfehle einen Kaiserschnitt-Anteil von 15 Prozent, Österreich liege hingegen mit 30 Prozent im europaweiten Spitzenfeld. Als Ursachen sieht Stöger sowohl rechtliche Aspekte der Arzt-Haftung sowie den Wunsch nach besserer Planbarkeit der Entbindung. Diesem Trend soll entgegengesteuert werden.

Zu viele Mehrlingsgeburten

Auch der Anteil an Frühgeburten (vor der 37. Schwangerschaftswoche) soll gesenkt werden. Dieser sei in Österreich zwischen 1990 und 2011 von acht auf elf Prozent gestiegen. Mit dieser Quote liege Österreich deutlich über dem europäischen Durchschnitt. Hauptgründe dafür seien die Zunahme von Mehrlingsgeburten - u. a. durch Hormonbehandlung und künstliche Befruchtung - sowie das steigende Alter der Mütter und Lebensstilfaktoren wie Stress, Rauchen oder Alkohol. Deshalb wolle das Gesundheitsministerium die maximal zu transferierende Anzahl an Embryonen in den Verträgen mit den IVF-Fondsanstalten genau regeln. Verhandlungen würden bereits laufen.

Für Kinder getestete Medikamente

Viel zu tun gebe es laut Stöger im Bereich Arzneimittelsicherheit: "Mehr als die Hälfte der in der Kinderheilkunde gängigen Medikamente sind für Kinder nicht ausreichend getestet, das ist ein riesiges Qualitätsproblem. Es ist mir aber bewusst, dass wohl niemand gerne sein Kind für derlei Versuche zur Verfügung stellt. Auf jeden Fall brauchen wir auf diesem Gebiet eine höhere Sensibilität der Zulassungsbehörden", so der Gesundheitsminister, der die Schaffung eines Kinderforschungsnetzwerkes empfiehlt. Die Basisfinanzierung werde geschätzte 500.000 Euro jährlich über fünf Jahre betragen.

Kein Selbstbehalt für Kinder

Verbesserungen sind laut Stöger auch punkto Kinderfreundlichkeit in Spitälern sowie Rehabilitation notwendig. "Es ist höchst unerfreulich, wenn sich Eltern Selbstbehalte nicht leisten können." Aus diesem Grund tritt er für die Streichung dieser Gebühren im Fall von Krankenhausaufenthalten von Säuglingen, Kindern und Jugendlichen. Stöger will auch den Ausbau von kinder- bzw. jugendgerechter ambulanter und stationärer Rehabilitation forcieren und Reha-Info-Points einführen, damit Betroffene nicht im "negativen Kompetenzkonflikt" der zuständigen Stellen auf den Kosten sitzenbleiben.

Neue Koordinationsstelle

Für die Umsetzung der Maßnahmen im Rahmen der "Kindergesundheitsstrategie" soll ab 1. Jänner 2012 eine Koordinationsstelle verantwortlich sein, die im Gesundheitsministerium angesiedelt wird. Das Papier bezeichnete Stöger als "Handlungsanleitung für mehrere Jahre". Und im Hinblick auf Kooperationen mit anderen Ressorts meinte der Minister: "Kindergesundheit ist eine Querschnittsmaterie." (APA/Red.)