Europäische Ratingagenturen in Planung

Konkurrenz am Ratingagenturen-Markt

Die Pläne für eine eigenständige europäische Ratingagentur werden konkreter: Die Beraterfirmer Roland Berger will den drei dominanten US-Agenturen Standard&Poors, Fitch und Moody´s die Stirn bieten. Auch die Bertelsmann-Stiftung in Deutschland hat ein Konzept vorgelegt. Wie sehen die US-Agenturen die drohende Konkurrenz?

Mittagsjournal, 05.05.2012

"Wettbewerb belebt den Markt"

Furcht sieht anders aus. Paul Taylor ist zwar erst seit einem Monat Chef der Ratingagentur Fitch, über mögliche zusätzliche Konkurrenz macht er sich aber keine Sorgen: "Es ist gesund, Wettbewerb am Markt zu haben. Wir selbst stehen in großem Wettbewerb mit unseren dominanteren Konkurrenten von Moody’s und Standard&Poor’s. Der Wettbewerb ist gut, weil die Qualität unserer Arbeit dadurch besser ist und wir bleiben auf Trab. Ich wünsche den Neuen also viel Glück am Markt."

Schwierig, Ratingagentur zu etablieren

Taylor weist aber darauf hin, dass viele Neulinge unterschätzen, wie schwer es ist, eine Ratingagentur am Markt zu etablieren: "Man braucht sehr viel Geld, man muss die passenden Leute einstellen. Und es braucht Zeit, mögliche Kunden davon zu überzeugen, dass man etwas zu sagen hat, was sie auch interessiert. Und dass das einen Wert hat."

Mitschuld an der Finanzkrise

So wenig Sorgen er sich über zusätzliche Konkurrenz macht, so sehr scheint der Fitch-Chef aber um seine Kunden bemüht zu sein. Und da hat ein Meinungswandel stattgefunden: Taylor gibt zu, dass die Ratingagenturen eine Mitschuld an der Finanzkrise tragen. Auf die Frage, ob der Herabstufungs-Schrecken also nun ein Ende hat, sagt er allerdings: "Diese Frage kann ich nicht beantworten, weil das davon abhängt, was in der Welt passiert. Wir geben den Regierungen ja nicht vor, welche Entscheidungen sie zu treffen haben."

Verändertes Bewertungssystem

Allerdings hat auch das Bewertungssystem der Ratingagenturen einen Sinneswandel vollzogen. Und der sei wenig nachvollziehbar. So lautet zumindest der Vorwurf von Griechenlands Ex-Premierminister Giorgos Papandreou: "Vor der Krise 2008 waren die Ratingagenturen begeistert von Staatsanleihen und haben allen das Triple-A gegeben. Das war Augenauswischerei. Aber es herrschte eine Art Herden-Mentalität und alle waren glücklich: Die Weltwirtschaft ist gewachsen, aber es hat sich eine Blase gebildet. Und als die geplatzt ist, hat sich die Bewertung ins Gegenteil gedreht: Jetzt ist plötzlich alles ein Risiko."

Europäische Ratingagentur in Planung

Eine unabhängige Ratingagentur würde Papandreou daher begrüßen. Dabei kann er auf Rückendeckung der EU-Kommission hoffen. Diese hat sich ebenfalls wiederholt für eine europäische Ratingagentur ausgesprochen. Allerdings nur, wenn diese aus einer privaten Initiative entsteht. Die Beraterfirma Roland Berger jedenfalls hat diese Woche mitgeteilt, es gebe jetzt ausreichend Banken und Versicherungen die eine finanzielle Unterstützung zugesagt haben. Als Startkapital werden 300 Millionen Euro angepeilt.