"Staatsfeind" auf Österreich-Besuch

Peking ist zornig auf den Dalai Lama

Der Dalai Lama kommt am Donnerstag nach Österreich. Neben Vorträgen und Symposien wird er auch auf österreichische Spitzenpolitiker treffen. China sieht in dem geistlichen Oberhaupt der Tibeter einen Separatisten und Staatsfeind und übt Kritik, wenn er von ausländischen Politikern empfangen wird.

Mittagsjournal, 16.5.2012

Aus Peking berichtet

Besuch unter diplomatischen Spannungen

Es gehört zum diplomatischen Spiel. Wird der Dalai Lama im Ausland empfangen, dann hat China etwas dagegen. So wird es auch sein, wenn der Dalai Lama für elf Tage nach Österreich reist. Heimische Diplomaten wurden in Peking bereits ins Außenministerium zur Unterredung gebeten. Das hat das Außenministerium in Wien auch bestätigt. Österreichische Unternehmensvertreter in China erinnern immer wieder an den Empfang des Dalai Lama 2007 durch den damaligen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ). Der Besuch habe die Geschäftsbeziehungen zwischen Österreich und China monatelang belastet. China bezeichnet den Dalai Lama zwar oft als irrelevant. Wenn er sich aus seinem indischen Exil auf Reisen ins westliche Ausland begibt, gehen die emotionalen Wogen aber jedes Mal von Neuem hoch.

Der Dalai Lama bei David Cameron

Vor seinem Österreich-Besuch war der Dalai Lama in Großbritannien. Sein dortiges Treffen mit dem britischen Premierminister David Cameron hat zu einer wütenden Reaktion aus dem chinesischen Außenministerium geführt. "Großbritannien und Premierminister Cameron haben das Anliegen Chinas, den Dalai Lama nicht zu treffen, einfach ignoriert. Wir werten das als Einmischung in unsere inneren Angelegenheiten, damit werden die gegenseitigen Beziehungen beschädigt. Wir sind strikt dagegen, dass ausländische Staatsführer den Dalai Lama treffen", ärgerte sich Hong Lei, ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums. Aussagen des Dalai Lama gegenüber einer britischen Zeitung, wonach chinesische Agenten einen Anschlag gegen ihn planen würden, werden in Peking zurückgewiesen. Der Dalai Lama wurde mit der Aussage zitiert, China trainiere Frauen, die ihn während einer Segnung vergiften sollen.

Machtkampf zwischen China und Tibet

Der Konflikt um Tibet bleibt in China brisant. Seit den schweren Unruhen in den tibetischen Gebieten 2008 haben sich Dutzende Mönche aus Protest gegen die chinesische Herrschaft öffentlich mit Benzin übergossen und angezündet. Mehrere Klöster bleiben von chinesischen Sicherheitskräften abgeriegelt. Journalisten ist die Reise in die betroffenen Gebiete untersagt. Einerseits ist zwar unumstritten, dass China den Volksaufstand in Tibet vor gut 50 Jahren blutig niedergeschlagen und sich seither zahlreicher Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht hat. Auf der anderen Seite wurden die Tibeter immer schon autokratisch regiert. Vor der chinesischen Annektierung, die offiziell als Befreiung verkauft wird, war es eine Gruppe von Geistlichen, die dort die absolute Macht innehatte. Die Kommunisten haben den Klöstern große Teile ihres Landbesitzes genommen und die de-facto Leibeigenschaft der Bauern beendet. Sie haben den Tibetern aber ebenso wenig individuelle Rechte gegeben wie dem Rest der chinesischen Bevölkerung.

Bedingter Gehorsam

Dass der Dalai Lama von vielen in Tibet weiterhin verehrt wird, steht fest. Die Mönche und Klöster der verschiedenen Schulen in Tibet, die auch eigene Interessen verfolgen, gehorchen ihm aber nur mehr bedingt. Und Chinas Führer haben eines auch schon klargestellt: Nach dem Tod des heute 76-jährigen Dalai Lama wollen sie bei der Wahl seines Nachfolgers ein gewichtiges Wort mitreden.