Polizei schoss in die Menge

Tote bei Tibeter-Protesten

In den von Tibetern bewohnten Gebieten Chinas weiten sich die Proteste offenbar aus. Chinesische Sicherheitskräfte sollen in den vergangenen Tagen mehrere Demonstranten erschossen haben. Polizei und Armee haben die Unruhegebiete von der Außenwelt abgeriegelt.

Morgenjournal, 31.1.2012

Schüsse in die Menge

In einem entlegenen Dorf in der Provinz Sichuan, an der Grenze zu Tibet, hängt ein Mann Flugblätter auf. Er fordert mehr Freiheit für die Tibeter und die Rückkehr des geistlichen Oberhaupts, des Dalai Lamas, aus dem Exil. Die Polizei will ihn zuhause festnehmen, hunderte Menschen versammeln sich vor dem Haus des Mannes, wollen die Festnahme verhindern. Die Polizei schießt in die Menge und tötet mindestens einen Demonstranten.

"Jedes Mal,wenn Tibeter friedlich demonstrieren, reagieren die chinesischen Behörden mit Gewalt und Unterdrückung. Sie verletzen und töten Tibeter ganz bewusst,“ sagt ein Sprecher der international nicht anerkannten tibetischen Exil-Regierung mit Sitz in Indien. Augenzeugen und Mitarbeiter von Menschenrechtsorganisationen bestätigen das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte.

"Selbstverteidigung"

Die Version der chinesischen Regierung ist völlig anders. Sie spricht von einem Mob, von Kriminellen, die wiederholt versucht haben lokale Polizeistationen zu stürmen. Polizeibeamte hätten sich lediglich selbst verteidigt.
Journalisten bleiben von den Unruhegebieten ausgesperrt, die Polizei hat Straßensperren errichtet. Angeblich hat man an manchen Orten auch die Telefon-und Internetleitungen gekappt. Und so ist eine unabhängige Bestätigung aller Angaben derzeit kaum möglich. Und auch das genaue Ausmaß und der Umfang der Demonstrationen ist schwer abschätzbar.

Selbstverbrennungen von Mönchen

Klar erscheint jedoch der Auslöser für die jüngsten Unruhen. Mehrere tibetische Mönche hatten sich in den vergangenen Wochen aus Protest gegen die Unterdrückung durch den chinesischen Staat selbst angezündet. Mindestens 16 waren es seit vergangenem März. Eine neue bis vor kurzem noch unbekannte Form des Protests. Die jetzigen Unruhen sind jedenfalls die schwersten in den von Tibetern besiedelten Gebieten Chinas seit gut drei Jahren. 2008 waren bei Zusammenstößen zwischen Tibetern, Han-Chinesen und Sicherheitskräften mehr als 20 Menschen getötet worden.

Schwere Menschenrechtsverletzungen

Die Fronten in der Tibet-Frage bleiben unversöhnlich. China verweist auf ein erfolgreiches Entwicklungsprogramm in Tibet, auf Milliarden, die man dort zur Modernisierung investiert hat. Tibetische Gruppen kritisieren schwere Menschenrechtsverletzungen. Und sehen hinter dem rapiden Entwicklungsprogramm der chinesischen Regierung letztlich den Versuch, die tibetische Kultur und Tradition auszulöschen.