Gedenken an Wendepunkt
20 Jahre nach Tod von Mafia-Jäger Falcone
Italien gedenkt eines schweren Attentats vor zwanzig Jahren. Damals starb der berühmteste Mafiajäger Giovanni Falcone und mit ihm vier weitere Menschen. Falcone ist seitdem gemeinsam mit seinem Freund und Kollegen Paolo Borsellino, der ihm Juli desselben Jahres ebenfalls Opfer eines Anschlags wurde, die Symbolfigur im Kampf gegen das organisierte Verbrechen
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 23.5.2012
Mathilde Schwabeneder berichtet aus Palermo.
Vorreiter im Anti-Mafia-Kampf
Am 23. Mai 1992 waren Falcone, seine Frau Francesca Morvillo und drei seiner Leibwächter bei einem Sprengstoffattentat auf der Autobahn bei Capaci nahe Palermo getötet worden. Erst im vergangenen Jahr war der Mafia-Boss Bernardo Provenzano verhaftet worden, der den Anschlag auf Falcone angeordnet haben soll. Falcone, der 53-jährig starb, hatte sich stets bemüht, die internationalen Verbindungen der "Cosa Nostra" aufzudecken. Eine entscheidende Rolle spielte er beim Aufbau des sogenannten Anti-Mafia-Pools, einer Gruppe von Staatsanwälten, die Mitte der 80er Jahre große Erfolge im Kampf gegen das organisierte Verbrechen verbuchen konnten. Sein engster Kollege, Paolo Borsellino, wurde zwei Monate nach Falcone ebenfalls durch ein Sprengstoffattentat der Mafia getötet.
Wendepunkt gegen die Mafia
Die Ermordung Falcones und seines Mitarbeiters Borsellino markierte in Italien einen Wendepunkt in der Haltung der Bevölkerung zum organisierten Verbrechen. Hunderttausende demonstrierten unmittelbar nach Falcones Tod auf den Straßen Palermos. Viele Sizilianer brachen ihr Schweigen und bekannten sich offen gegen die Mafia. Erpresste Geschäftsleute wehrten sich zunehmend, Zwangsgelder an die Organisation zu zahlen. Einige von ihnen mussten dies mit ihrem Leben bezahlen.
Entscheidende Verhaftungen
Kurz nach Falcones Mord wurde eine neue Anti-Mafia-Gesetzgebung verabschiedet, die abtrünnigen Mafiosi beträchtliche Strafmilderungen garantierte. Dank der Kooperation der reuigen Kronzeugen konnten die italienischen Behörden in den Jahren nach dem Tod des Staatsanwalts wichtige Erfolge im Kampf gegen die Cosa Nostra verbuchen. Entscheidend erwies sich im Jänner 1993 die Verhaftung von Toto Riina, der Nummer eins der sizilianischen Mafia, der wegen Falcones Mord zu lebenslänglicher Haft verurteilt wurde. Lebenslang hinter Gittern sitzt auch der Mafia-Boss Giovanni Brusca. Er hatte den Auslöser der Bombe gedrückt, der in Capaci den Mafiajäger ermordete.
Neue Ermittlungen
29 Mafia-Bosse wurden insgesamt wegen Beteiligung an der Ermordung Falcones zu lebenslanger Haft verurteilt. Sechs hochrangige Mafiosi, die dank ihrer Zusammenarbeit mit den Justizbehörden nur zu 15 Jahren Haft verurteilt worden waren, sind bereits wegen guter Führung und einer Reihe von Strafmilderungen wieder auf freiem Fuß, was helle Empörung in Italien auslöste. Familienangehörige der Mafia-Opfer warfen dem Staat vor, im Einsatz gegen das organisierte Verbrechen nachgelassen zu haben. Im vergangenen Jahr hatte die Staatsanwaltschaft von Palermo neue Ermittlungen um die Ermordung des sizilianischen Mafia-Jägers aufgenommen. Sie wurden aufgrund der Aussagen des abtrünnigen Mafiosos Gaspare Spatuzza in die Wege geleitet, der mit den Staatsanwälten zusammenarbeitet. Bei den Ermittlungen geht es um die Herkunft des Sprengstoffes, mit dem Falcone getötet wurde.
Anschlag in Brindisi
Die Angst vor Mafia-Anschlägen ist in Italien weiterhin groß. So wurde befürchtet, dass der Bombenanschlag auf eine Berufsschule in der süditalienischen Stadt Brindisi, bei dem am Samstag eine 16-jährige Schülerin ermordet worden war, auf die Mafia zurückzuführen sei. Die Schule ist Francesca Morvillo, der Ehefrau Falcones gewidmet. Zudem war in Brindisi am Samstag ein Protestmarsch gegen die Mafia geplant. Für die Mafia-Theorie wurden jedoch keine Beweise gefunden. Ermittler betonten jedoch, es sei unwahrscheinlich, dass die in der Region um Brindisi aktive Mafia-Organisation Sacra Corona Unita auf ihrem eigenen Territorium Minderjährige töte. (Text: APA, Red.)