Alle Gesellschaftsschichten betroffen
Finanzkrise als Thema in Cannes
Beim Filmfestival in Cannes ist es am gestrigen Wettbewerbstag, den 22. Mai, gleich zweimal um die Finanzkrise gegangen. Ungewöhnlich dabei war der Zugang, den die beiden Filmemacher gewählt haben.
8. April 2017, 21:58
Der Brite Ken Loach bringt mit viel Humor die Probleme der schottischen Arbeiterklasse auf die Leinwand. Und der Australier Andrew Dominik zeigt in einem Gangsterfilm mit Brad Pitt, wie die Unterwelt mit Finanzkrisen fertig wird.
Mittagsjournal, 23.05.2012
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Brutale Gewalt regiert in "Killing them softly": Ein Überfall auf eine Spielhalle hat zu einem massiven Geschäftseinbruch in der Unterwelt geführt und Killer Cogan, gespielt von Brad Pitt, soll die Ordnung wieder herstellen. Regisseur Andrew Dominik hat einen Gangsterroman aus den 1970er Jahren ins Jahr 2008 übertragen. Den Geschäftseinbruch des organisierten Verbrechens hat er mit der damals einsetzenden Finanzkrise kurzgeschlossen. Andrew Dominik: "In Gangsterfilmen herrscht immer purer Kapitalismus. Nur in diesem Genre ist es für jede einzelne Figur völlig in Ordnung, dass ihre Motivation ausschließlich vom Geld ausgeht."
Die U.S.A. sind kein Land, die U.S.A. sind ein Geschäft, sagt die Brad Pitt-Figur an einer Stelle des Films. Und in der Pressekonferenz meinte Pitt, der den Film auch produziert hat, dass er immer nach Geschichten Ausschau halte, die uns und unsere Zeit abbilden.
Was wurde aus dem Recht auf Arbeit?
Mit "The Angels' Share" steht Festival-Veteran Ken Loach bereits zum elften Mal im Wettbewerb von Cannes. Politisches Engagement und die Liebe zur Arbeiterklasse ziehen sich durch das gesamte Werk des Briten. Waren die frühen Filme aber ungeschönte Sozial-Dramen, so handelt es sich bei "The Angels' Share" um eine mitreißende Tragikomödie. Ein Glasgower Jugendlicher ist mehrfach straffällig geworden und wird zu gemeinnütziger Arbeit verurteilt.
Was die Situation des jungen Mannes so hoffnungslos macht, ist die Unmöglichkeit, Arbeit zu finden. Regisseur Ken Loach: "Kein Politiker spricht mehr vom Recht auf Arbeit. Wir müssen uns aber bewusst machen, was uns da als unmöglich verkauft wird. Es handelt sich nämlich um ein erklärtes Menschenrecht, das vor mehr als 60 Jahren als unverzichtbar für eine funktionierende Zivilgesellschaft gegolten hat. Dass es das plötzlich nicht mehr geben soll, ist kein Naturgesetz. Das wird uns nur glauben gemacht."
Durch eine Whiskyverkostung entdeckt der junge Mann schließlich seine verborgenen Talente. Sein Ideenreichtum sorgt außerdem dafür, dass er endlich den Kopf über Wasser bekommt. Ken Loach: "Umso härter die Finanzkrise uns trifft, umso negativer wird die Darstellung der Arbeiterklasse in der Presse. Diese Menschen werden als faule Schmarotzer dargestellt und wir wollten mit unserem Film zeigen, wie es wirklich ist."
Loach wechselt gewagt zwischen äußerst gewalttätigen Szenen und hochkomischen Dialogen. Die Rechnung geht aber auf. Der Humor zieht Loachs politischem Engagement nämlich nicht die Zähne, sondern verleiht ihm umgekehrt ganz gehörigen Biss.