Psychologisches Familiendrama

Sharayet - Eine Liebe in Teheran

Die im Iran und den USA aufgewachsene Filmemacherin Maryam Keshavárz stellt in ihrem Spielfilmdebüt "Sharayet - Eine Liebe in Teheran" die Beziehung von zwei jungen Frauen in den Mittelpunkt - zwischen dem Wunsch nach selbstbestimmtem Leben und den Zwängen religiöser Moralvorstellungen. Beim Sundance Festival wurde der Film voriges Jahr mit dem Publikumspreis ausgezeichnet.

Kulturjournal, 23.05.2012

Von Anfang an hat man das Gefühl, zwischen Atafeh und Shirin geht es um mehr als bloße Freundschaft. Beiläufige Berührungen auf dem Schulhof, Kokettieren auf dem Nachhauseweg - dann schließlich gestehen sich die beiden Mädchen ihre Liebe. Lass uns nach Dubai gehen, dort ist alles möglich.

Doch ihre Liebe muss ein Geheimnis bleiben, auch vor den eigentlich liberalen Eltern, vor den Freunden, und vor allem vor Attafehs Bruder, der nach einem Drogenentzug zunehmend in religiösem Fundamentalismus Halt sucht. Immer wieder drängen politische und religiöse Repressionen in die Beziehung der beiden. Die hadd-Strafen, die im Koran festgelegten Strafbestände, schreiben für Homosexualität harte Ahndungen vor. So wird auf Wikipedia etwa aus dem iranischen Strafgesetzt zitiert:

"Die hadd-Strafe für lesbische Liebe ist für jeden hundert Peitschenhiebe. Wurde die lesbische Liebe dreimal wiederholt, und ist jedesmal eine hadd-Strafe verhängt worden, so ist die hadd-Strafe beim vierten Mal die Todesstrafe."

Amerikanischer Hintergrund

Regisseurin Maryam Keshavarz hat in den USA studiert, hat die Sommermonate aber stets im Iran, der Heimat ihrer Eltern, verbracht. "Jedes Mal wenn ich in den Iran zurückgekehrt bin, hat es mich fasziniert, wie sich die Menschen dort in dieser repressiven Umgebung bewegen", erzählt sie, "wie sie der Repression aus dem Weg gehen und versuchen, gegen alle Widerstände ihr eigenes Leben zu leben. Ich habe das Skript ja in den USA geschrieben. Und selbst dort hatte ich teilweise Bedenken - es könnte ja durchaus passieren, dass ich nach so einem Projekt nicht mehr in den Iran zurückkehren darf. Auch wenn ich diesen Ort liebe."

Und man merkt dem Film dann auch den amerikanischen Hintergrund der Regisseurin an. In der Stimmung der Bilder, der Farbgebung, dem verkürzenden Schnitt, wo westliche Sehgewohnheiten adaptiert werden. Vor allem aber auch in einigen Traum- und Musiksequenzen, mit angedeuteten Nacktszenen: die Flucht nach Dubai als sexuelle Phantasie.

Geheimhaltung notwendig

Verschleiert gehen die Mädchen auf illegale Partys, bahnen sich ihren Weg durch die Verbotsgesellschaft. Gedreht in Beirut, habe sie im Iran niemandem von diesem Film erzählt, so Marjam Keshavarz, auch nicht Verwandten und Freunden, das sei zu gefährlich gewesen:

"Ich habe sie aus dem gesamten Entstehungsprozess ausgeschlossen. Sie wussten nichts über diesen Film, das Risiko wäre zu groß gewesen. Das war sehr schwer für mich, denn wenn ich dann gefragt wurde, was ich gerade mache, antwortete ich immer 'Nur etwas Kleines'."

Beim Familienausflug gehen Vater und Sohn baden, die Frauen bleiben zurück. Irgendwann, so der Vater, gehen wir alle gemeinsam schwimmen. Eine kleine Szene als großes politisches Statement, wie auch, wenn wenig später die beiden Mädchen mit einigen Freunden Gus van Sants Film "Milk" über den homosexuellen amerikanischen Bürgerrechtler ins Farsi synchronisieren wollen.

Religiös-politischer Verhandlungsraum

Steht in der ersten Hälfte vor allem die Liebe zwischen den beiden Mädchen im Mittelpunkt, wird der Film mit der Radikalisierung des Bruders zunehmend zum psychologischen Familiendrama. Der Überwachungsstaat wird in das familiäre Milieu übertragen.

Mit ihrem Film "Sharayet - Eine Liebe in Teheran" ist Maryam Keshavarz ein mitreißendes Kinodebüt gelungen, in dem das Schlafzimmer zum religiös-politischen Verhandlungsraum wird. Es ist der Blick auf ein Land, in dem Repressionen gegen Homosexuelle an der Tagesordnung stehen, ein Land mit einem Präsidenten, der 2007 noch behauptete, dass Homosexualität im Iran kein Thema sei, weil es schlicht keine gebe.

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Waystone Film - Sharayet