Eine ganz große Intrige?

Chef der Vatikanbank abgesetzt

Der Chef der Vatikanbank, Ettore Gotti Tedeschi, ist zurückgetreten. Er stand seit 2009 an der Spitze des Bankinstituts. Wie das Pressebüro des Vatikans mitteilte, genügte Gotti Tedeschi nicht den "grundlegenden Anforderungen" seines Amts. Ungeachtet wiederholter Ermahnungen habe sich die "Lage noch verschlechtert".

Mittagsjournal, 25.5.2012

Aus Rom berichtet Mathilde Schwabeneder.

Geschlossenes Misstrauen

Paukenschlag im Vatikan. Es ist nicht einmal drei Jahre her, da war das die Meldung des Tages: Der Heilige Stuhl beruft den angesehenen Bankexperten Ettore Gotti Tedeschi an die Spitze der Vatikanbank IOR. Seine Aufgabe: Das Bankinstitut fit für die internationalen Transparenzkriterien zu machen. Über der Bank schwebte nämlich der Verdacht, Geldwäsche zu ermöglichen. Jetzt ist Ettore Tedeschi überraschend zurückgetreten, oder besser: ist zurückgetreten worden. Denn der IOR-Aufsichtsrat hat dem als Troubleshooter geholten Banker geschlossen das Misstrauen ausgesprochen.

Papstschonung vor Wahrheit

Er habe die primären Aufgaben seines Amtes nicht erfüllt - so lautet der Kernsatz der Begründung. Die Lage der Bank habe sich mit ihm verschlechtert. Der so in Ungnade gefallene Tedeschi-Gotti sagte gegenüber der italienischen Nachrichtenagentur Ansa: "Ich bin zerrissen zwischen dem Wunsch, die Wahrheit zu sagen oder den Papst nicht zu verwirren." Und weiter: "Meine Zuneigung zum Heiligen Vater ist stärker als der Wunsch, meine Reputation zu verteidigen, die auf so gemeine Weise angezweifelt worden ist."

Eine ganz große Intrige?

Über die Hintergründe des Rauswurfs kann im Moment daher nur spekuliert werden. Denn entweder hat der ehemalige erste Mann der Santander-Bank in Italien sich tatsächlich etwas zuschulden kommen lassen, oder es läuft eine der ganz großen Intrigen im Vatikan. Bekannt ist jedenfalls: Der streng katholische Tedeschi Gotti genießt das Vertrauen des Papstes und er zählt zum engen Kreis des früheren Finanzministers Giulio Tremonti. Aber er hat auch mächtige Feinde - wie den Vatikanischen Staatssekretär, Kardinal Tarcisio Bertone.

Vatikan im US-Visier

Bekannt ist auch, dass Papst Benedikt den schlechten Ruf der Vatikanbank bereinigen wollte. Denn das Institut, dessen eigentlicher Zweck es ist, die Gelder kirchlicher Stiftungen zu verwalten, war in den 1980ern in Mafia-Geschäfte und in die Pleite der Ambrosiano-Bank verwickelt gewesen. Benedikt XVI. hat Ende 2010 mittels eines umfassenden Dekrets die Finanzgeschäfte des Kirchenstaates den EU-Richtlinien angepasst. Dies sollte zu einer Aufnahme des Vatikan in die "Weiße Liste" jener Länder führen, die internationale Standards gegen Geldwäsche und dubiose Finanzgeschäfte einhalten. Doch soweit ist man offensichtlich noch nicht. Im März nahmen die USA den Vatikan ins Visier. Er entsoreche nicht den Transparenzkriterien. Das Bankhaus JP Morgan schloss kurz darauf sein Konto bei der IOR. Jetzt nach dem Rausschmiss Gotti Tedeschis sucht der Vatikan einen Nachfolger, der "umfangreiche Beziehungen zur Finanzgemeinschaft" aufbauen soll.