Wallraff-Vorwürfe gelten auch in Österreich
Prekäre Bedingungen bei Paketzustellern
Der deutsche Undercover-Journalist Günter Wallraff hat in einer Reportage die Schattenseiten der billigen und schnellen Paketzustellung aufgedeckt: prekäre Beschäftigungsverhältnisse, schlechte Arbeitsbedingungen, Scheinselbstständigkeit. In Österreich ist die Situation ähnlich, kritisiert die Gewerkschaft vida.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 1.6.2012
Tanja Geleckyj
"Gewinne auf Kosten der Zusteller"
"Moderne Sklaverei": So bezeichnet der deutsche Enthüllungsjournalist Günter Wallraff die Zustände beim europaweiten Paketzusteller GLS. Die Situation ist in Österreich nicht viel anders als in Deutschland, sagt vida-Experte Heinz Högelsberger. In Österreich gebe es zwar - anders als in Deutschland - flächendeckende Kollektivverträge, aber sonst sei das Strickmuster dasselbe.
"Wir haben es mit großen Konzernen zu tun, die fette Gewinne schreiben. Und das auf Kosten der Arbeitskräfte, die unter unmöglichen Bedingungen arbeiten", sagt Högelsberger.
Studie bestätigt Wallraff-Recherchen
Das bestätigt auch Bettina Haidinger von der Forschungs- und Beratungsstelle "Arbeitswelt". Sie hat im vergangenen Februar eine Studie zu den Arbeitsbedingungen bei Paketzustellern in Österreich herausgegeben und dafür etwa 50 Fahrer befragt.
Die Arbeitsverhältnisse sind demnach vor allem durch sehr lange Arbeitszeiten gekennzeichnet. "Ein Arbeitstag hat oft zwölf Stunden, es werden kaum Pausen gemacht. Die Zusteller stehen unter großem Stress, alle Pakete rechtzeitig auszuliefern", sagt die Studienautorin.
Auslagerung ab Subfirmen
Die Großunternehmen würden Sozialdumping betreiben, indem sie ihr Geschäft auf Subfirmen auslagern, kritisiert Gewerkschafter Heinz Högelsberger. Diese würden auf ihre Mitarbeiter großen Druck ausüben. Der Organisationsgrad der Gewerkschaften sei bei Subfirmen schwach ausgeprägt, die Mitarbeiter könnten sich oft nicht wehren.
Viele hätten zudem einem Migrationshintergrund und Angst, ihren Job zu verlieren, so der Experte. Högelsberger schätzt, dass in Österreich rund 30.000 Menschen in der Paketbranche tätig sind. Davon sei etwa ein Drittel der Leute von prekären Arbeitsbedingungen betroffen.
GLS streitet Vorwürfe ab
Der deutsche Paketzusteller GLS hat nach der Wallraff-Reportage in einer schriftlichen Stellungnahme alle Vorwürfe zurückgewiesen. Zu den Arbeitsbedingungen in Österreich heißt es von GLS Austria, es sei branchenüblich, mit Transportunternehmen zusammenzuarbeiten.
In Österreich gelte der Kollektivvertrag und die Transportunternehmer von GLS würden sich an diese gesetzlichen Vorgaben halten.
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