Was Stadionbauten leisten müssen
Choreographie der Massen
Ab Freitag, 8. Juni 2012, regiert König Fußball. Die Europameisterschaft wird diesmal in Polen und der Ukraine ausgetragen, das Eröffnungsspiel findet im neuen Nationalstadion in Warschau statt. Mit den Fußballstadien ist das Phänomen der Massen untrennbar verbunden. In Berlin befasst sich eine neue Ausstellung mit diesem Phänomen.
8. April 2017, 21:58
"Choreographie der Massen" ist der Titel der Ausstellung. Konzipiert wurde sie unter anderem vom Architekten Volkwin Marg. Er hat mit seinen Partnern unter anderem auch den Hauptbahnhof in Berlin konzipiert und war auch bei der Gestaltung der Stadien in Warschau und Kiew beteiligt.
Kultur aktuell, 06.06.2012
Wenn 70-, 80-tausend Fans ihre Idole bejubeln, entstehen Emotionen gegen die sich ein Einzelner kaum erwehren kann. Die Berücksichtigung der Psychologie der Masse ist für einen Architekten bei der Planung eines Stadions daher unumgänglich.
Für den Bau eines Stadions heißt das, durch die Architektur eine Choreografie zu schaffen, die die Massen lenkt. In dieser Choreografie lassen sich aber auch gesellschaftliche Strukturen und politische Systeme ablesen, erklärt Marg an zwei Beispielen: dem Olympiabau in München, errichtet nach der Erfahrung der Naziherrschaft, und das Olympiastadion in Berlin, das genau für die Ideologie dieser Herrschaft konzipiert wurde.
Sichtbarer Nationalstolz
Mindestens ebenso wichtig muss ein Stadion heute den Sicherheitsanforderungen entsprechen. Aber immer muss es die Entstehung von Atmosphäre fördern. Neben diesen Funktionen spiegeln die Stadien aber auch eine ganz bestimmte Bedeutung wider, die der Architekt einfließen lassen muss, zum Beispiel historische.
Nicht anders war dies bei der Konzeption etwa des neuen Nationalstadions in Warschau. Es wurde an der Stelle des alten Stadions errichtet, das für die Polen schon historische Bedeutung hatte. Diese sollte beim Neubau berücksichtigt werden, sagt Marg, der an der Konzeption beteiligt war.
Das wurde nicht nur mit der Lage erreicht, sondern auch mit der Gestaltung, die an einen landestypischen Weidenkorb erinnert, in den rot-weißen Landesfarben gehalten. Den Nationalstolz von weitem sichtbar machen, können die Architekten leisten, endgültig befriedigt wird er in der Arena - oder auch nicht. Die Massen sind auf jeden Fall dabei.
Textfassung: Ruth Halle