Vom Wahlrecht für Hunde und Erdbeeren

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Die dokumenta-13-Chefin, Carolyn Christov-Bakargiev, hat in Kassel sehr viel Staub aufgewirbelt haben. "Das Wahlrecht für Hunde und Erdbeeren" habe sie gefordert, stand in den Schlagzeilen. Die überhitzte Ansage einer von den Journalisten genervten Dokumentachefin, eine künstlerische Provokation oder eine politische Aussage? Ein Kommentar von Sabine Oppolzer.

Bodypainting für Hunde. Kunstwerke, die man nur in Begleitung eines Hundes betreten darf bzw ein Hund, der Bestandteil jener Kunstwerke ist.Schmetterlinge, Esel, Kräutergärten, ein Wasserbecken mit Gerste-Umrandung, Apfelbäume, künstliche Hügel und eine Baumbibliothek, bilden den weiteren Aspekt der documenta.

Caroly Christov-Bakargiev will mit diesen Kunstwerken an alle Sinne appellieren. Das Fühlen soll im Vordergrund stehen und nicht das Denken geschwurbelter Konzepte. Wenn sie sagt "Ich habe kein Konzept", wagt sie sich in ein Minenfeld vor: denn in der Kunst - nicht nur in der Konzeptkunst - werden Konzepte sehr hoch bewertet. Dementsprechend geprügelt wird sie auch für knallige Sager wie "Wahlrecht für Hunde und Erdbeeren".

Was sie mit dieser Schau bezweckt: nichts weniger als die Welt zum neuen Denken anzuregen: den Anthropozentrismus abschaffen, der Tieren, Pflanzen und unbelebter Materie keinen eigenen Wert zugesteht - es sei denn, sie dienen den Menschen. Skurril ist es aber wirklich, dass bei dieser Kunstschau jeweils Mittwoch abends eine Führung über Hunde und Kunst angeboten wird, bei der man erfährt, dass sich Hunde in erster Linie fürs Fressen und für andere Hunde interessieren. Für Kunst höchstens, wenn sie satt sind, auch dann nur für Performancekunst oder Soundinstalltionen. Mit herkömmlichen Gemälden fangen sie nichts an, weil sie rot-grün-blind sind, sodass sie daher oft nicht einmal einen roten Ball auf einer grünen Wiese finden können, wenn er sich nicht bewegt. So weit, so gut.

Aber wie fühlt sich ein Komet? Ein Komet, der als Bestandteil eines Kunstwerkes nach Kassel gebracht werden sollte, sich dann aber als zu schwer herausstellte. Als Carolyn Christov-Bakargiev bei der Eröffnungspressekonferenz über diese kometischen Gefühle raisonnierte, schien es, als hätte sie sich als Anhängerin einer Neuauflage des Animismus geoutet. Es schockierte natürlich, dass eine documenta-Chefin das kritische Bewusstsein, das doch sonst alles ist, einfach ignorierte. Auch wenn der Soziologe Bruno Latour schon vor zehn Jahren ein "Parlament der Dinge" gefordert hat und dafür plädierte, dass der Mensch sich von seinen Allmachtsphantasien verabschieden solle. Ebenso wie der Philosoph Andreas Weber vor fünf Jahren in seinem Buch "Alles fühlt". Jetzt wirft die documenta 13 die Frage auf, ob an einer solchen Sicht der Dinge die Welt vielleicht genesen könnte. Vielleicht gar nicht so abwegig in einer Zeit, in der Computer sprechen können und Handys gestreichelt werden wollen.

Obwohl: Lösungen werden hier nicht angeboten, nur Fragen aufgeworfen. Und alte Denkkorsetts über Bord geworfen: damit das freie Denken endlich Platz bekommt. Es ist eine anarchistisch anmutende Fröhlichkeit, die diese documenta 13 verströmt. Niemand soll verstört oder aufgerüttelt werden, nur verführt durch den Duft der Kunstwerke. Oder in Videoprojekten aufgeklärt werden, über die politischen Krisen in dieser Welt. Die Grenzen sind gefallen: nicht nur zwischen Kunst und Politik, sondern auch zwischen Kunst und Natur, Kunst und Wissenschaft. Das ist natürlich sehr verwirrend, vielleicht auch nicht immer richtig, ermöglicht aber viele neue Assoziationsmöglichkeiten.

Hochtrabende Konzepte gibt es hier nicht, die den Besuchern in diesen Ausstellungen vermittelt werden: "Du verstehst das nicht, du bist zu ungebildet. Diese documenta sagt: komm herein, schau Dich um, und genieße es, dann wirst Du schon verstehen, was Du verstehen kannst. Hier ist einmal niemand ausgeschlossen. Nicht einmal Hunde."

Daher trägt die Ausstellung in Kassel vielleicht zu Recht den Spitznamen "Ökomenta" oder - mit g geschrieben - "Dogumenta".