Planlos Reisen

Die "Café Sonntag"-Glosse von Severin Groebner

Das planlose Reisen ist ein schönes Hobby. Doch viele von Zielen geplagte Menschen wissen nicht, wie sie es anstellen sollen. Eine einfache Übung für Einsteiger ist es beispielsweise mit verbundenen Augen den Bahnhof zu betreten und einen Zug zu besteigen.

Ohne Fahrkarte! Und wenn Sie der Schaffner dann rausgeschmissen hat, dürfen sie die Augenbinde abnehmen. Und da wo sie jetzt sind, da wollten sie bestimmt nicht hin.

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Mit dem Auto ist planlos reisen leider schwieriger. Dauernd schränken einen Autobahnen, Leitplanken und Navigationssysteme zielgenau ein. Aber es gibt die alphabetische Methode: Sie fahren los und beim ersten Richtungsschild, das einen Ort ausweist, der mit "A" beginnt fahren Sie dorthin, von dort nehmen sie den nächsten der mit "B" beginnt, dann den mit "C" etc.. So kommen schöne Routen zusammen wie: Amstetten - Berndorf - Chur - Dresden - Eferding und so weiter... Und wundern Sie sich nicht, wenn Sie in Quebeck vorbeikommen.

Ganz planlos ist das natürlich nicht, weil eine derartige Reise zwangsläufig in Zwettl enden muss. Aber heißt es nicht "Der Weg ist das Ziel"? Eben.

Daran sieht man auch, dass planlos reisen kein neues Konzept ist. Ältere Semester kennen das aus ihrer Jugend, wo ihnen das "Reisebüro Wehrmacht" den ultimativen Trip in Richtung "Endsieg" verkauft hat. De Facto endete diese Reise aber nur in Orten namens "Sibirien", "Invalidität", "Kriegstrauma" oder überhaupt einem Ort ohne Wiederkehr. Wie bei vielen dubiosen Reiseveranstaltern sind aber auch bei diesem Unternehmen Reklamationen sinnlos. Die Verantwortlichen verschanzen sich hinter juristischen Tricks wie "Befehlsnotstand" oder ziehen überhaupt in seltsame Weltgegenden wie Argentinien, Ägypten oder Kärnten.

Eine aktuelle Variante des planlosen Reisens ist momentan weltweit in Mode.
Versuchen Sie einfach aus einem Krisengebiet Ihrer Wahl (also etwa: Syrien, Somalia, Sahelzone oder Afghanistan) rauszukommen. In eine Weltgegend mit Wohlstand. Irgendwie. Alle Mittel sind erlaubt: zu Fuß, Fahrrad, Boot oder Badewanne. Das ist Abenteuersport!

Wundern Sie sich aber nicht, wenn Sie kurz vor Schluss im Mittelmeer ertrinken oder in Internierungslagern landen. Gewonnen haben Sie, wenn Ihre Papiere weg sind, Sie einen extrem schlecht bezahlten Job ohne Sozialversicherung haben, zu fünfzehnt in einem Zimmer wohnen und auf der Straße als "Scheiß-Ausländer" beschimpft werden.

Dann haben Sie es geschafft. Und mit ein bisschen Glück, werden Sie dann aus heiterem Himmel wieder zu ihrem Ausgangspunkt zurück "abgeschoben" und sie dürfen gleich noch einmal: Planlos Reisen!