Wachstum: "Bestrebungen allein bringen nichts"

Die vier größten Volkswirtschaften der Eurozone planen ein 130-Milliarden-Euro-Paket, mit dem die Wirtschaft angekurbelt werden soll. Kritiker sprechen von "Fantasie-Zahlen", weil keiner sagen kann, woher das Geld kommen soll. Experten der Nationalbank und der Europäishen Zentralbank verteidigen den Plan aber.

Mittagsjournal, 25.6.2012

130 Milliarden Euro keine Fantasiezahl

Europa braucht mehr Wachstum, lautet die Parole, die am Freitag die vier größten Volkswirtschaften der Eurozone, Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien ausgegeben haben. Sie wollen EU-Mittel umschichten, das Kapital der europäischen Investitionsbank aufstocken, damit sie mehr Kredite für sinnvolle Projekte vergeben können, und über die Finanztransaktionssteuer Geld für mehr Wachstum einnehmen. Insgesamt wollen sie eine Summe von 130 Milliarden Euro aktivieren, für mehr Wachstum.

Kritiker sprechen von Fantasiezahlen, die wahrscheinlich nie erreicht werden, wie ähnliche Ankündigungen in der Vergangenheit gezeigt hätten. Dass es hier nur um ein politisches Signal gehe, damit sich die Stimmung unter den Wählern bessert, glaubt Peter Mooslechner, Chef-Ökonom der Nationalbank, nicht: "Auch ein politisches Signal ist sehr wichtig, aber es ist mehr als ein politisches Signal allein. Umschichtungen von Mitteln, Mehrinvestitionen und das Zeichen, dass das zu einem wichtigen Thema in der EU wird, können schon etwas bewirken. Alles, was wir in dieser Richtung derzeit machen können, ist positiv einzuschätzen."

Zu wenige sinnvolle Investitionsprojekte

Ähnlich sieht das auch Getrude Tumpel-Gugerell, lange Zeit Direktoriumsmitglied in der Europäischen Zentralbank in Frankfurt. Sie ist derzeit Konsulentin beim Wirtschaftsforschungsinstitut. Allerdings räumt sie durchaus auch Probleme ein, wenn es darum geht, mehr Wachstum zu schaffen. Zum Beispiel stelle sich die Frage, ob es derzeit genügend sinnvolle Projekte gibt, die die Europäische Investitionsbank mit Krediten fördern kann: "Natürlich dauert es eine Zeit lang, bis man Infrastrukturprojekte geplant hat und umsetzen kann. Wichtig ist aber das Signal, es wird etwas getan, wir wollen wieder auf einen Pfad höheren Wachstums kommen."

Ein weiteres Problem hat sich in Griechenland gezeigt. Dort war die Regierung bisher nicht in der Lage, alle EU-Mittel abzurufen, die in Brüssel für sie bereitgestellt wurden. Dazu kommt der Vertrauensverlust in die Länder Eurozone, durch die grassierende Schuldenkrise.

"Nicht immer zweifeln"

Die politischen Bestrebungen hin zu mehr Europa, zu einer Fiskalunion, und einer politischen Union, also zu einer Stabilisierung der Eurozone allein, werden kurzfristig aber nicht reichen, um wieder mehr Wachstum zu schaffen, sagt Peter Mooslechner von der Nationalbank: "In der kurzen Frist, außer im Hinblick auf die wichtige integrationspolitische Symbolik, kann man sich davon wahrscheinlich keine unmittelbaren Wirkungen erwarten. Die konjunkturelle Perspektive ist eine kürzerfristige und die gilt es, in erster Linie jetzt einmal zu adressieren."

Es stellt sich die Frage, ob das Wachstum durch politische Initiativen kurzfristig geschaffen werden kann. Getrude Tumpel-Gugerell findet, man dürfe nicht immer an dem zweifeln, was gerade geplant ist: "Man muss das jetzt umsetzen und daraus wieder das Vertrauen schaffen, dass wir in Europa die Wirtschaft wieder vorwärts bringen." Entscheidungen in diese Richtung werden vom EU-Gipfel diese Woche erwartet.