Kritik: Ärzte verdienen an Vitaminpillen

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) ortet fragwürdige Geschäftemacherei von niedergelassenen Ärzten mit Vitamin- und Spurenelement-Präparaten. Konkret kritisiert der VKI Ärzte, die die "orthomolekulare Medizin" anbieten und satte 15 bis 40 Prozent mitverdienen. Das sei nicht nur finanziell bedenklich, zum Teil würden auch arge Überdosierungen verordnet. Die Ärztekammer spricht von wenigen schwarzen Schafen.

Mittagsjournal, 27.6.2012

Nahrung statt Medikament

Es gibt keinen wissenschaftlichen Nachweis, dass die hohen Dosen an Vitaminen, Spurenelementen und Antioxidantien in der orthomolekularen Medizin wirken, sagt VKI-Gesundheitsexpertin Bärbel Klepp - keine Evidenz also. Trotzdem biete die Ärztekammer ein Diplom für orthomolekulare Medizin an, quasi für die Verschreibung von Nahrungsergänzungsmitteln, kritisiert Klepp. "Hier wird der Eindruck erweckt, es handle sich um ein Arzneimittel, dabei ist es ein Lebensmittel."

Überdosierungen

Überdosierungen
Aber nachweislich können Überdosierungen durch Vitamin- und Spurenelement-Cocktails gesundheitsgefährdend sein, sagt Klepp. In Wien bieten 30 Ärzte orthomolekulare Medizin an. Der VKI hat eine Testperson zu fünf Ärztinnen und Ärzten geschickt. In vier Fällen hätten die verordneten Dosierungen Grenzwerte überschritten.

Hohe Gewinnspannen

Auch bei drei Firmen, die Präparate anbieten, hat der VKI recherchiert - was denn geschieht, wenn Patienten bei der Bestellung angeben, welcher Arzt das Produkt verschrieben hat. Das Ergebnis bei zwei Firmen: "Da schneidet der Herr Doktor saftig mit." Und zwar 15 bis 20 Prozent als Provision oder als "Studienbeitrag". Und wenn ein Arzt die Vitaminpräparate gleich selbst verkauft, reichten die Spannen bis zu 40 Prozent, so Klepp.

Verkauf mit Gewinn korrekt

Der Ärztekammerreferent für Komplementärmedizin, Klaus Connert, gibt dem VKI in einem Punkt Recht: Wenn Ärzte Provisionen kassieren, sei das nicht legal: "Dieses Vorgehen ist nach dem Ärztegesetz nicht korrekt. Wenn so ein Fall bekannt ist, wird das von der Ärztekammer entsprechend verfolgt." Wenn aber ein Arzt wie er einen Gewerbeschein hat und Produkte mit Gewinn verkauft, sei das korrekt. Es komme darauf an, wie man damit umgehe.

"Orthomolekularen Medizin wirkt"

Höchst problematisch sei es vielmehr, wenn Patienten ohne ärztliche Beratung nur auf Basis von Internet-Information Produkte kaufen, sagt der Ärztekammervertreter. Und zu hohen Vitamindosen und der orthomolekularen Medizin generell sagt er: "Die wirkt. Das ist ja nicht so, wie wenn auf dem Gemüsestandl irgendwas einkauft. Da gibt es Lehrbücher und Studien. Aber es wird in der Medizin immer einen geben, der sagt, dass eine Studie nicht in Ordnung ist."

Einig sind sich Connert und der VKI nur in einem: Gesunde Menschen brauchten keine Vitaminpräparate, ausgewogene Ernährung reiche völlig.