Experten-Diskussion zum ESM
SPÖ, ÖVP und Grüne werden kommende Woche dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zustimmen. Freiheitliche und BZÖ hingegen laufen Sturm gegen das "Diktat aus Brüssel", wie sie es nennen, und verlangen eine Volksabstimmung. Der zuständige Verfassungsausschuss hat dazu zehn Experten angehört - eine breite Diskussion mit Pro und Contra.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 29.6.2012
Harte Bedingungen
Es geht um die Frage, wer bestimmt, wofür das Geld ausgegeben wird - und wer ist verantwortlich, wenn was schief geht. Denn der Euroschutzschirm ist eine Finanzinstitution, keine Bank - eher eine Art Währungsfonds, wie es ihn in Washington schon gibt. Diese Bauweise sei auch eine Garantie für die Steuerzahler, argumentiert der von der SPÖ nominierte Experte, Peter Mooslechner, Chef der volkswirtschaftlichen Abteilung in der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). Die Vergabe von Kredite sei an strikte Bedingungen gebunden, sagt Mosslechner, und er erinnert daran, wie sich Länder dagegen wehrten, vom Internationalen Währungsfonds Gelder zu bekommen, weil diese Bedingungen nicht als positiv betrachtet würden.
"Unendliche" Bürgschaften?
Der ESM sei eine Megabank ohne Lizenz, widerspricht Barbara Kolm, Chefin des neoliberalen Hayek-Instituts. Sie wurde von FPÖ nominiert. Und sie hebt hervor, dass der Gouverneursrat unbegrenzt hohe Kreditsummen bewilligen könne. Die Bürgschaften der Steuerzahler "wachsen daher ins Unendliche".
"Nein, das ist falsch", reagiert Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP), ebenfalls zu Gast beim Expertenhearing: "Und es wird nicht wahrer, auch wenn man es noch so oft behauptet." Die Kapitalausstattung und auch das Abrufen des Kapitals sei im Parlament zu beraten.
Vor- und Nachteile
Rechtliche Zweifel hegt der Experte des BZÖ, Markus Kerbert. Der Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie hat eine Klage gegen den ESM eingebracht. Er meint, es sei eine "naive Annahme", dass der ESM effektiv werde.
Der Experte der Grünen, Fritz Breuss, Ökonom und Wirtschaftsprofessor, sieht Vor- und Nachteile. Mit dem Schutzschirm kann die Eurozone in Krisenfällen rasch reagieren, das war bisher nicht der Fall, sagt Breuss.
Für den Klagenfurter Ökonomen Gottfried Haber, nominiert von der ÖVP, überwiegen dennoch die Vorteile. Der ESM sei eine rasche Eingreiftruppe, die erst gerufen werde, wenn es gar nicht mehr geht. Er müsse aber verbunden sein mit einem Fiskalpakt und einem Mechanismus, der dafür sorge, dass die strukturellen Probleme nicht mehr auftreten.
Bis zu 700 Milliarden Euro
Heute stimmen in Deutschland Bundestag und Bundesrat über den Schutzschirm ab. Kommende Woche ist das Parlament in Österreich am Wort. Der Schutzschirm ESM soll am 9. Juli in Kraft treten. Bis zu 700 Milliarden Euro stehen dann permanent für Kredite an notleidende Euro-Länder bereit. 25 der 27 EU-Staaten beteiligen sich an dieser Euro-Krisenfeuerwehr. Österreichs Beitrag sind mehr als zwei Milliarden Euro und weitere 17 Milliarden an Haftungen. Vorausgesetzt das Parlament sagt Ja.