William Faulkner neu übersetzt

Als ich im Sterben lag

"Als ich im Sterben lag" ist ein Meilenstein der amerikanischen Moderne, ein Roman, der, wie die meisten Werke Faulkners, schon zu Lebzeiten des Mississippi-Balzac fast ausschließlich in akademischen Milieus rezipiert wurde.

Dass es Faulkners Bücher kaum je auf die Bestsellerlisten geschafft haben, anders als die seines Kollegen Hemingway, liegt an ihrer formalen Komplexität und ihrer erstaunlichen Vielschichtigkeit. Nehmen wir zum Beispiel Maria Carlssons Neuübersetzung des Faulkner-Klassikers "Als ich im Sterben lag": Man muss das 250-Seiten-Werk auch in der neuen Fassung zwei oder drei Mal lesen, bis sich sein inhaltlicher und formaler Reichtum erschließt. Vielleicht ist es ohne Zuhilfenahme von Sekundärliteratur überhaupt unmöglich, sich in dem unübersichtlichen Erzählstimmen-Gewirr zurechtzufinden, das Faulkner hier zu einem virtuosen Roman-Patchwork zusammengefügt hat.

Tragisches und Komisches

15 Erzählerinnen und Erzähler und 60 innere Monologe bietet der Nobelpreisträger des Jahres 1950 auf, um eine tragikomische Südstaaten-Geschichte aus dem weißen Unterschicht-Milieu zu erzählen. Im Grunde ist es eine einfache Geschichte: Addie Bundren, mittellose Farmersfrau und fünffache Mutter, stirbt. Sie hat ihrem Mann, dem buckligen Anse, das Versprechen abgenommen, sie in ihrem Heimatort, dem 40 Meilen entfernten Städtchen Jefferson, beizusetzen. Und so macht sich ein grotesker Leichenzug auf den Weg in Addies Geburtsort.

Der auf einem klapprigen Mauleselgespann dahinziehende Kondukt besteht aus dem trauernden Witwer selbst und seinen fünf Kindern: dem ältesten Sohn Cash, einem geschickten Tischler, der den Sarg der Mutter zusammengezimmert hat, dem verrückten Darl, dem jähzornigen Pferdenarren Jewel, der schwangeren Tochter Dewey Dell und dem jüngsten, fünfjährigen Sohn Vardaman. Ihrer aller Stimmen bringt Faulkner in virtuosen inneren Monologen zum Klingen, dazu kommen die Stimmen von Freunden, Nachbarn und Verwandten, die in brillanter Polyphonie das zunehmend groteske Geschehen schildern. Der Trauerzug der Familie Bundren kämpft sich durch einen apokalyptischen Gewitterregen, Familienvater Anse beklagt die Überschwemmungsschäden an Feldern und Fluren. In Maria Carlssons Übersetzung liest sich das so:

Zart klassenkämpferische Töne wie dieser finden sich immer wieder in Faulkners Werk, ohne dass der sozialkritische Anspruch sich plump in den Vordergrund drängte. Auch in "Als ich im Sterben lag", variiert Faulkner im Grunde sein lebenslanges Thema: eine erzähltechnisch adäquate Darstellung der Agonie des amerikanischen Südens zu entwickeln.

Lebendige Übersetzung

Maria Carlsson - bekannt geworden durch ihre bahnbrechenden Updike-Übersetzungen - hat sich bemüht, Faulkners deftig-poetische Sprache in ein lebendiges und zeitgemäßes Deutsch zu übertragen. Die bisher maßgebliche Übersetzung von "As I Lay Dying" stammt aus dem Jahr 1961, Albert Hess und Peter Schürmann haben sie besorgt, und es war weiß Gott keine schlechte Übersetzung. Welche Akzente setzt Carlsson in ihrer Neufassung? Wie unterscheiden sich die beiden Übersetzungen? Das Erste, was auffällt: Hess und Schürmann 1961 gingen sprachlich um einiges derber zur Sache. Ein Beispiel: Der Dorfarzt Peabody, der zur sterbenden Addie gerufen wird, ruft bei Hess-Schürmann: "Ich dachte, vielleicht haben sie im Himmel dieselbe Idiotenmoral wie bei der Ärztekammer." Bei Maria Carlsson liest sich das weniger deftig, fast möchte man sagen: damenhafter:

"Narrenmoral" oder "Idiotenmoral"? Geschmackssache. In der Regel kommt Maria Carlssons Übersetzung um einiges poetischer daher als die Übertragung von Albert Hess und Peter Schürmann aus dem Jahr 1961. Ob Carlsson damit näher bei Faulkner ist? Schwer zu sagen. Eine Gegenüberstellung noch. Zunächst Maria Carlsson:

Und jetzt dieselbe Stelle bei Hess-Schürmann: "Das ist das Elend mit diesem Land: alles und jedes, das Wetter, alles hält zu lange an. Wie unsre Flüsse, so unser Land: düster, langsam, heftig; es formt und prägt das Leben der Menschen nach seinem unversöhnlichen und schwerfälligen Bilde."

Wahrscheinlich ist Maria Carlssons Übersetzung tatsächlich besser als die von Hess-Schürmann, um fünf bis zehn Prozent vielleicht. Dem Werk William Faulkners jedenfalls tut es gut, dass sich der Rowohlt-Verlag seiner in einer Reihe liebevoll edierter Neuübersetzungen annimmt.

Service

William Faulkner, "Als ich im Sterben lag", aus dem Englischen übersetzt von Maria Carlsson, Rowohlt-Verlag

Rowohlt - Als ich im Sterben lag