EU-Umfragen: Einmal Ja, einmal Nein zu Brüssel

Das Volk soll entscheiden, ob Österreich am Haftungsschirm ESM teilnimmt oder Kompetenzen zur Krisenbewältigung an die Europäische Union abgibt. Das fordern Kritiker in- und außerhalb des Parlaments. Zwei aktuelle Umfragen zu dem Thema kommen zu genau einem gegenteiligen Ergebnis.

Mittagsjournal, 4.7.2012

Die Tücke bei Umfragen

Soll die Europäische Union mehr Kompetenzen von den Mitgliedsstaaten erhalten, um die Finanz- und Schuldenkrise zu bewältigen? Eine erstaunliche Mehrheit von 53 Prozent hat das in einer Umfrage der Sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft SWS mit Ja beantwortet.

Die Peter-Hajek-Meinungsforschung hat für den Fernsehsender ATV ebenfalls die Stimmungslage erkundet - mit der inhaltlich gleichen Frage, allerdings etwas anders formuliert. Nämlich so: Sollen mehr nationale Kompetenzen an die EU abgegeben werden, um auf Krisen schneller reagieren zu können und nicht auf einzelne Länderinteressen Rücksicht nehmen zu müssen? 51 Prozent haben dazu nein gesagt, also die EU lieber nicht stärken.

Fragestellung entscheidend

Die gleiche Frage, konträre Antworten. Schon ein anderes Verb in der Fragestellung - das positiv besetzte ERHALTEN gegen das negative ABGEBEN - kann ein Ergebnis drehen, weiß der Meinungsforscher Peter Hajek. Der Text sei ein wahres Kunstwerk, bis hin zur Beistrichsetzung.

Die Fragestellung für die SWS-Umfrage mit dem EU-freundlichen Ergebnis hat laut dem Umfrage-Institut der Auftraggeber selbst formuliert und vorgegeben: die Gesellschaft für Europapolitik, deren erklärtes Ziel es ist, gute Stimmung für die EU zu machen. Der Politikwissenschafter Fritz Plasser sieht da einen Konnex zwischen Umfragen und direkter Demokratie. Formuliere ich weich oder hart, spreche ich manche Dinge vielleicht gar nicht an. Plasser meint auch, dass Umfragen zur europäischen Solidarität ohne das Thema Haftungen anzusprechen, nichts wert seien: Solidarität sei zwar ein positives Schlüsselwort, Österreich habe aber auch bestimmte Verpflichtungen einzugehen, ohne dem sei es eine Worthülse.

Information vor Befragung

Vor einem Volksentscheid würde das Thema Geld für Schuldenländer mit Sicherheit angesprochen, hart und direkt. Der Politologe Fritz Plasser bezweifelt, dass das Volk für so eine Schlacht schon gewappnet wäre. Breite Information tue not, fehle aber bisher völlig.