Satire und Krimi zugleich
Tod auf der Donau
Folgt man der Lebensader Donau von Deutschland bis zum Schwarzen Meer, findet man nah beieinander die unterschiedlichsten Geschichten und Kulturen. Der 1976 geborene slowakische Autor Michal Hvorecký entführt den Leser in seinem neuen Roman "Tod auf der Donau" auf eine Schiffsreise stromabwärts, in dem er Reiseführer, Krimi, Liebesgeschichte und Sozialsatire miteinander verbindet.
8. April 2017, 21:58
Hauptfigur ist der Reiseorganisator Martin Roy, der auf einem luxuriösen Donaukreuzfahrtschiff von Regensburg bis Rumänien mehr als hundert amerikanische Pensionisten 22 Tage lang rund um die Uhr betreuen muss. Martin, schöngeistiger Hochschulabsolvent und vormals erfolgreicher, jedoch armer literarischer Übersetzer, geht diesem ungeliebten Job allein des Geldes wegen nach. Hvorecký diente hier seine eigene Biografie als Vorbild, war er doch selbst Reiseleiter auf einem solchen Schiff, um sich sein Schriftstellerleben zu finanzieren.
Was folgt, ist eine bittere, aberwitzige Parodie auf den Kreuzfahrttourismus mit stark antiamerikanischem Einschlag. Der bedauernswerte Martin muss, da er auf Trinkgeld und positive Kundenbewertungen angewiesen ist, von der ersten bis zur letzten Minute an Bord gute Miene zum bösen Spiel machen und allerlei Demütigungen erdulden. Die Arroganz der Amerikaner, vor allem den "Osteuropäern" wie Martin gegenüber, wird nur von ihrer Ignoranz übertroffen:
Zitat
"Martin bitte, was ist Barock? Die Frau Reiseführerin hat es einige Male erwähnt", fragte Jeffrey und beugte sich über den Schalter.
"Darüber brauchst du dir nicht den Kopf zerbrechen. Das habt ihr in Amerika nicht."
"Wirklich nicht?"
"Barock war eine italienisch-politische Diktatur, die noch vor der Gotik in Europa herrschte. Sehr böse, obskur und gefährlich!"
"Gut, dass wir das in Amerika nicht haben! So was brauchen wir auch nicht. Was wir jetzt brauchen, ist eine gute Wirtschaftslage und Ordnung."
Wo bitte ist Moldawien?
In dem zur Perversion verkommenen Tourismusbetrieb ist Zynismus Überlebensstrategie und Tagesordnung: Ein Blick auf die unwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen der Matrosen und Putzfrauen unter Deck zeigt die unschöne Kehrseite von Pomp und Überfluss der oberen Etagen. Der Reiseveranstalter nimmt aber nicht nur seine Angestellten, sondern auch seine Kunden ungeniert aus und neppt sie, wie sich nur Touristen am Rande der geistigen Gesundheit neppen lassen.
Der galligen Schilderung der Tourismusbranche sind reichlich Landschaftsbeschreibungen und kulturhistorische Diskurse über Länder und Städte an der Donau gegenübergestellt, für die der Autor ausführliche Recherchereisen unternahm. Je weiter das Schiff den Strom entlangfährt, desto tiefer dringt es in das dunkle Herz des Ostens ein – vorbei an wildromantischen Landschaften, aber auch an von Armut gezeichneten Städten wie in Bulgarien.
Den Osten beschreibt Hvorecký im Vergleich zum Westen als weitgehend unbekanntes Gebiet, wenn er etwa Moldawien als einen von der Welt vergessenen Ort bezeichnet:
Zitat
Bei Kilometer 134 mündete der Fluss Prut, der die Grenze zwischen Rumänien und Moldawien bildet, in die Donau. Moldawien besaß den kürzesten, nur einen halben Kilometer langen Abschnitt des Flusses. Dieser schwer geprüfte Staat besaß also auch ein Stückchen Donau und hoffte, damit zu Geld zu kommen. Doch die Welt ahnte nicht einmal, dass Moldawien überhaupt existierte, und Martin beschloss, es den Amerikanern gar nicht auf die Nase zu binden, denn die waren längst verwirrt, diese Fülle an Orten, unbekannten Sprachen und Währungen (...).
Zu große Ambitionen
Obwohl Hvorecký manch Aufschlussreiches zu berichten weiß, zeigen sich seine reiseführerhaften Erläuterungen oft willkürlich und ausufernd. Dies auf Kosten der weiteren Handlungsstränge, denn der Autor will außerdem noch eine Liebes- und eine Kriminalgeschichte im Roman unterbringen: Als nämlich plötzlich Martins Exfreundin am Schiff auftaucht, beginnen erst die Probleme für den leidgeprüften Reiseorganisator und kurz darauf - der deutsche Titel hat es in Anlehnung an Agatha Christie bereits angekündigt - passiert der erste von zwei Morden.
Die Kriminalgeschichte in "Tod auf der Donau" geschieht jedoch wie nebenbei. Dass der Kapitän ausgerechnet Martin als Detektiv beauftragt, hätte einen wunderbaren Handlungsstrang ergeben, der vom Autor leider stiefmütterlich abgehandelt wird. Darunter leidet in Folge auch die psychologische Entwicklung seiner Figuren, die zunehmend marionettenhaft agieren.
Mit fortschreitender Lektüre gewinnt man den Eindruck, dass Hvorecký die Fäden der Handlung entglitten sind und Opfer seiner allzu großen Ambitionen wurden. Und so wird trotz gelungener Gesellschaftssatire ein vielversprechender Beginn mehr und mehr zu einem letztlich unbefriedigenden Leseerlebnis.
Service
Michal Hvorecký, "Tod auf der Donau", aus dem Slowakischen übersetzt von Michael Stavaric, Tropen Verlag
Tropen - Tod auf der Donau