Studie warnt vor Ärztemangel
In Österreich könnten bis zum Jahr 2030 bis zu 10.000 Ärztinnen und Ärzte fehlen. Das ist das Ergebnis einer Studie, die der Gesundheitsminister, der Wissenschaftsminister und der neue Ärztekammerpräsident gemeinsam präsentiert haben. Alle drei sehen die Studie auch als Argumentationshilfe, um in Brüssel eine Verlängerung der Medizinerquote zu erreichen.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 20.7.2012
Szenarien gerechnet
In der Ärztebedarfsstudie wurden zwei Szenarien berechnet: In einem Fall wurde von einem etwas höheren Pensionsantrittsalter von Medizinern und etwas geringerem Leistungsumfang von Wahlärzten ausgegangen. Folge wäre, dass in den nächsten zwölf Jahren genug Ärzte zur Verfügung stünden, erst danach käme es zu einem Mangel sowohl an Allgemein- als auch Fachärzten. Bis 2030 würden rund 1.100 Allgemeinmediziner und 2.200 Fachärzte fehlen, gleichzeitig wird ein Überangebot von 500 Zahnmedizinern erwartet. Insgesamt gäbe es damit 2.800 Ärzte weniger als benötigt.
Das zweite Modell geht von einem etwas niedrigeren Pensionsantrittsalter und umfangreicheren Leistungen der Wahlärzte aus. Das würde bereits in den kommenden Jahren zu einem Aufklaffen der Lücke zwischen Bedarf und Angebot führen, die stärkste Verschärfung der Situation wird demnach zwischen 2020 und 2025 erwartet. Bis 2030 gäbe es laut dieser Berechnung fast 2.500 Allgemeinmediziner und 5.200 Fachärzte weniger als benötigt, die Zahl der Zahnärzte wäre um rund 240 größer als der Bedarf. Insgesamt würden rund 7.400 Ärzte fehlen.
Genug Uni-Absolventen
Um dem drohenden Mangel an Ärzten zu begegnen, setzt Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) darauf, Arztausbildung und Beruf attraktiver zu machen. Zusätzliche Medizin-Studienplätze soll es hingegen nicht geben, wie Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle in der gemeinsamen Pressekonferenz betonte. Die Ärztebedarfsstudie habe gezeigt, dass genug Mediziner ausgebildet werden. Mit 23,6 Absolventen auf 100.000 Einwohner sei Österreich Europa-Spitze. Es müsse dafür gesorgt werden, dass möglichst viele von ihnen auch im Land bleiben.
Argumente für Brüssel
Der Minister betonte auch die wichtige Rolle der Quotenregelung, die österreichischen Maturanten 75 Prozent der Medizin-Studienplätze garantiert. Immerhin würden laut Befragungen 75 Prozent der ausländischen Medizin-Studenten planen, nach dem Abschluss Österreich wieder zu verlassen. Töchterle sieht die Studie daher auch als "wichtiges Ergebnis für die Argumentation gegenüber der EU-Kommission." Die Kommission hatte 2007 ein Vertragsverletzungsverfahren für fünf Jahre auf Eis gelegt, mit November würde das Moratorium auslaufen. Töchterle hat die EU-Bildungskommissarin Androulla Vassiliou bereits über die Ergebnisse der Studie informiert und positive Signale für eine Verlängerung des Moratoriums erhalten. "Längerfristig müssen wir schauen, wie wir mit der Quote umgehen. Da haben wir noch eine Atempause für einige Jahre."
Maßnahmen gegen punktuellen Mangel
Gesundheitsminister Stöger kündigte an, "eine Verbesserung der praktischen Ausbildung der Allgemeinmediziner umzusetzen". Durch Personalmanagement und -entwicklung soll außerdem die Suche der Krankenhäuser nach passendem Personal besser gesteuert werden Nachdem künftig im einstigen Männerberuf Mediziner 60 Prozent Frauen arbeiten werden, sieht Stöger auch die Neuregelung für Gruppenpraxen als wichtiges Element, um den Arztberuf an neue Lebenskonzepte anzupassen. Auch die geplante Gesundheitsreform soll laut Stöger den Arztberuf attraktiver machen. Mit der Mangelarztverordnung soll dem Mangel in einzelnen Fachrichtungen entgegengewirkt werden.
Entlastung von Administration
Ärztekammer-Präsident Artur Wechselberger sieht durch die Studie die jahrelangen Warnungen der Ärztevertretung bestätigt und fordert u.a. Verbesserungen in der postpromotionellen Ausbildung: Es müsse eine verpflichtende einjährige Lehrpraxis und ein sinnvoller Einsatz von Turnusärzten, die derzeit vor allem als Systemerhalter in den Krankenhäusern genutzt würden, sichergestellt werden. Generell müssten Ärzte von administrativen Tätigkeiten entlastet werden. "Ich glaube, wir administrieren unser Gesundheitssystem nicht zu Tode, aber auf ein niedriges Niveau."
Laut Wechselberger braucht es auch Anreize für Fachgebiete, in denen es bereits einen Personalmangel gibt, für die Niederlassung in unterversorgten Regionen und dafür, dass" jemand das finanzielle Risiko auf sich nimmt, eine Praxis zu eröffnen". (Text: APA, Red.)