Monti will Steuermoral heben
Dem italienischen Staat entgehen jährlich Milliarden an Steuereinnahmen. Das zu ändern ist ein wichtiger Pfeiler in Ministerpräsident Mario Montis Strategie gegen die erdrückende Schuldenlast. Neben spektakulären Razzien gegen Steuersünder und einem verbesserten EDV-System setzt Monti vor allem auf Erziehung.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 21.8.2012
Neue Sprachregelung
Silvio Berlusconi hielt Steuerhinterziehung für einen Akt der Notwehr gegen einen feindlichen Staat. Er hat die Italiener sogar dazu ermutigt. Mit Mario Monti hat sich das verändert. Offen trägt man diese Haltung hierzulande nicht mehr vor sich her. Der Premier versucht, auch sprachlich zu sensibilisieren: "Ich werde den Verantwortlichen des staatlichen Rundfunks RAI freundlich nahelegen, nicht mehr das Wort 'Schlaumeier' zu verwenden, wenn sie über unseren Kampf gegen Steuerhinterziehung berichten", sagte Monti am Wochenende.
Verdächtiger Reichtum
Und nach der Devise, Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, erreicht der sogenannte "Redditometro", zu deutsch der "Einkommensmesser", Anfang September seine Höchstform. Eingebunkert in einem Gebäude des Finanzministeriums hier in Rom arbeiten 2.000 Rechner rund um die Uhr und dringen in alles vor, was mit Geld, Geldbewegungen und Besitz der Bürger zu tun hat. Der Redditometro erfasst den Lebensstandard des Einzelnen und gleicht die Daten mit seiner Steuererklärung ab. Immobilienbesitz mit Dienerschaft, edle Autos, teure Versicherungen, ein Pferd vielleicht - wer luxuriös lebt aber wenig Steuern zahlt, gerät ins Visier. In Kürze gilt für den Redittometro auch kein Bankgeheimnis mehr. Wenn die Steuerbehörde es will, rückt er die Kontodaten heraus.
Rechnung mit Abschlag
Wirklich beeindruckt schienen die Italiener aber noch nicht sein. "Wir sind nicht schlechtere Steuerzahler als andere", konstatiert erst gestern der Chefredakteur einer rechtsgerichteten Zeitung im Radio der Rai. "Unsere Gesetze sind einfach leichter umgehbar." Und weil viele so denken, trifft man weiterhin auf die "furbi", die Schlauen - im Restaurant zum Beispiel. Handgeschriebene Rechnungen sind illegal. Wir bekommen eine, mit acht Euro Abschlag. 68 wäre der volle Preis gewesen. Scharf durchschauen wir den Bestechungsversuch, fassen Mut und verlangen trotzdem die "Ricevuta". Und das ist vielleicht neu: Ohne Umstände wird sie gebracht; die acht Euro scheinen auf als "non pagati", nicht bezahlt, auf.
Macht mit Ablaufdatum
Montis Steuerpolitik ist nur ein Teil der umfassenden Modernisierungspolitik, die er und seine Regierung der Professoren im Eiltempo vorantreiben müssen, um das Vertrauen der Finanzmärkte zurückzugewinnen. Sie sind nicht demokratisch gewählt und nur die schwere Krise rechtfertigt ihre Macht. Mit dem Ende der Legislaturperiode in sieben Monaten läuft auch die Zeit aus, die sie hatten, um Italien zu verändern.