Richter fällen Urteil im Breivik-Prozess

In Oslo geht heute einer der größten Prozesse zu Ende, die es in den letzten Jahrzehnten in Europa gegeben hat. Anders Behring Breivik wird heute erfahren. ob er ins Gefängnis oder in die Psychiatrie muss. Er hat vor etwas mehr als einem Jahr durch eine Bombe und auf der Insel Utoya 77 Menschen getötet.

Morgenjournal, 24. 8. 2012

Johannes Marlovits im Gespräch mit Wolfgang Wittmann

Fünf Richter entscheiden

Fünf Stunden sind für die Urteilsfindung angesetzt. Daraus spekulieren – mehr kann man im Moment auch nicht machen – die Anwälte, das könnte darauf hindeuten, dass Breivik für zurechnungsfähig eingestuft wird. Die Staatsanwaltschaft hat ja auf unzurechnungsfähig plädiert und die Anwälte meinen es dauert länger zu erklären, warum man gegen die Staatsanwaltschaft entscheidet, als umgekehrt.

„Lebenslänglich“ gibt es in Norwegen nicht

In der norwegischen Gesellschaft will man jedenfalls, dass Breivik Zeit seines Lebens nicht mehr auf freien Fuß kommt. Aber auch das ist – weder bei einem Schuldspruch, noch bei einer Einweisung, nicht. Norwegen ist eines von 20 Ländern, das "lebenslang" abgeschafft hat. Die Höchststrafe liegt bei 21 Jahren. Danach besteht die Möglichkeit, eine unbegrenzte Verwahrung zu verhängen. Im Gefängnis könnte er also lebenslang weggesperrt werden. Wenn er in eine geschlossene Anstalt kommt, kann er regelmäßig einen Antrag auf Entlassung stellen, die nur dann gewährt wird, wenn er sozusagen "geheilt" wäre. Aber selbst dann, könnte im Nachhinein eine Haftstrafe verhängt werden.

Breivik bereitet Erklärungen vor

Breivik hat seine Taten gestanden und mir wirren Behauptungen über Notwehr gegen eine Islamisierung der norwegischen Gesellschaft zu begründen versucht. Sein Anwalt hat gesagt, Breivik bereitet auch für den heutigen Abschlusstag Erklärungen vor, die er nach der Urteilsverkündung verlesen will. Ob die Richter ihm dazu die Möglichkeit geben werden, ist offen. Was Breivik jedenfalls angekündigt hat ist, dass er Berufung einlegen wird, sollte er für unzurechnungsfähig erklärt werden. Dann würde das Verfahren weiter gehen. Und der Fall müsste vor dem Obersten Gericht noch einmal aufgerollt werden.

Ministerpräsident Stoltenberg übernimmt Verantwortung

Norwegen hat nach den furchtbaren Taten Breiviks unglaublich gefasst und weise reagiert. Ministerpräsident Stoltenberg hat danach ein Bekenntnis zu noch mehr Demokratie und noch mehr Offenheit abgelegt.

Jetzt beginnt in Norwegen die politische Aufarbeitung. Ein Jahr lang hat eine Kommission untersucht, ob es Fehler gegeben hat, ob man die Tat verhindert hätte können. Vor einigen Wochen ist dieser Bericht vorgelegt worden. In diesem Gericht wurden Fehler und Verantwortliche klar genannt. Es wurden Fehler der Polizei festgestellt, Notanrufe wurden nicht ernstgenommen, nicht richtig eingeschätzt, man war zu schlecht koordiniert, ausgerüstet usw. Der Polizeichef ist inzwischen auch schon zurückgetreten. Aber auch die politische Verantwortung wird klar angesprochen. Das Regierungsviertel hätte schon lange vor der Tat gesichert werden müssen. Nur weil das nicht umgesetzt worden ist, konnte Breivik seinen weißen Kastenwagen mit dem Sprengstoff direkt vor dem Regierungsgebäude platzieren. Ministerpräsident Stoltenberg, der dafür verantwortlich gemacht wird, hat auch gleich nach der Tat gesagt, dass er die Hauptverantwortung für alle Fehler übernimmt.