Arbeiterproteste in Rom und Sardinien

In Rom demonstrieren Bergleute und Aluminiumarbeiter aus Sardinien seit Tagen für die Erhaltung ihrer unrentabel gewordenen Betriebe. Die betroffene Region im Südwesten der Mittelmeerinsel zählt zu den ärmsten Gebieten Italiens.

Morgenjournal, 01.09.2012

Proteste: Verzweifelte Demonstranten

Hunderte Arbeiter der Aluminiumfabrik ALCOA sind über das Meer aus Sardinien bis nach Rom gekommen. Sie hämmern seit Tagen mit ihren Helmen vor dem zuständigen Ministerium in Rom auf den Boden, ketten sich an Gitter und schreien ihre Verzweiflung hinaus: "Es tut mir leid, was hier geschieht. Aber es reicht doch, dass Sardinien die höchste Arbeitslosenrate hat, jetzt wollen sie auch noch Alcoa schließen, es ist eine Schande", empört sich ein Arbeiter.

Der US-Konzern, dem das Alu-Werk gehört, will zusperren, weil die Energiekosten auf Sardinien zu hoch und die Produktion daher nicht mehr rentabel ist.

Weitere Schließung

"Zu allem bereit" erklärt haben sich auch die Arbeiter eines anderen sardischen Unternehmens, um ihre Arbeitsplätze zu retten. Italiens letztem Kohlebergwerk, das in der südwestsardischen Provinz Carbonia Iglesias liegt, droht ebenfalls die Schließung. Es gehört der Region Sardinien und überlebt nur dank staatlicher Zuschüsse. Um die drohende Schließung abzuwenden, haben sich einige Männer vor einer Woche mit Sprengstoff unter Tag verschanzt.

Nach einem Krisentreffen der zuständigen Minister und Regionalpolitiker wurden die Arbeiter beider Unternehmen gestern erst einmal vertröstet. Das Alu-Werk könnte einen Schweizer Investor interessieren, der prüfe das jetzt. Und das Kohlebergwerk werde nicht geschlossen, bis die Machbarkeit eines Modernisierungsprojektes geprüft ist, heißt es seitens der Politik. Doch die Demonstranten würden erst vertrauen, wenn es Lösungen gebe. "Der Streik geht also weiter", erklärt ein Gewerkschafter im italienischen Radio.

Modernisierung verabsäumt

Mit den Portesten kommt einmal mehr eine der italienischen Strukturkrankheiten zutage: Regierungen haben es Jahre und jahrzehntelang verabsäumt, sich um die Modernisierung der Schwerindustrie zu kümmern. Ebenso hinderlich wirkte ein komplexes Geflecht an Fortschrittsbremsen: Bürokratie, rückständige Gesetze und Infrastruktur, Korruption und mächtige Gewerkschaften. Nach vielen Jahren Berlusconi und Reformstillstand gibt es jetzt eine Regierung, die enormen Reformeifer hat, aber der das Geld fehlt.