Industrie gegen Arbeitszeitverkürzung

Das Arbeitsmarktservice geht davon aus, dass noch bis 2015 die Arbeitslosigkeit in Österreich steigen wird. Um mehr Jobs zu schaffen können sich AMS-Leiter Herbert Buchinger und Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) eine Arbeitszeitverkürzung vorstellen - allerdings nur in der Industrie und bei vollem Lohnausgleich. Bei der Industriellenvereinigung stößt diese Idee auf Unverständnis.

Mittagsjournal, 4.9.2012

Keine neue Jobs?

Die Arbeitszeit des einzelnen reduzieren und damit mehr Jobs schaffen – für die Industriellenvereinigung (IV) ist diese Forderung ein rotes Tuch. IV-Generalsekretär Christoph Neumayr sagt, dass dieser Vorschlag völlig an den Herausforderungen wie Arbeit schaffen vorbeigehe. Es sei naiv zu glauben, dass eine Aufteilung des Arbeitsvolumens automatisch zu mehr Beschäftigung führe. Denn die Industrie brauche Arbeitnehmer mit der richtigen Qualifikation – und die seien in Zeiten des Fachkräftemangels nur schwer zu finden. Neumayr gibt zu bedenken, dass die freiwerdenden Arbeitsplätze von entsprechend ausgebildeten Mitarbeitern eingenommen werden müssten. Wenn es keine solchen gebe, müsste das kleinere Arbeitszeitvolumen durch teurere Überstunden abgegolten werden. Und damit würde die Wettbewerbsfähigkeit sinken, so Neumayr. Und das sei im globalen Wettbewerb fatal. Weil das Modell für Neumayer grundsätzlich nicht funktioniert, sieht er auch keine etwaigen positiven Nebeneffekte, wie etwa weniger Krankenstände.

IV für Flexibilisierung und Qualifikation

Vielmehr müsse an anderen Stellschrauben gedreht werden – Stichwort: bessere Aus- und Weiterbildung: Denn viele österreichische Unternehmen könnten mehr qualifiziertes Personal aufnehmen und mehr Aufträge abwickeln. Häufig scheitere das aber an der fehlenden Qualifikation. Ein weiterer Hebel, an dem die Politik ansetzen könnte, ist für Neumayer die Flexibilität. Hier wüscht sich die Industriellenvereinigung seit Jahren eine Verlängerung der Durchrechnungszeiträume für Mehr- und Überstunden von jetzt einem auf zwei Jahre. So könnten Industriebetriebe flexibler auf konjunkturelle Schwankungen reagieren. Das sieht auch Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) so und betont, wie wichtig die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und das Vorantreiben der Qualifikation seien. Die wirkliche Hilfe sei aber die Lösung der Finanzkrise auf EU-Ebene, weil er davon ausgeht, dass es sich eher ein Stimmungstief handele. "Wenn das gelöst ist, dann haben wir auch wieder ein besseres Verhalten der Konsumenten und auch der Betriebe" hofft der Wirtschaftsminister. Die Industrie ist also gegen eine Verkürzung der Arbeitszeit, die Gewerkschaft gegen mehr Flexibilisierung. Möglicherweise bleibt am Ende also alles beim Alten.

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